Hindert Krankheit daran, Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses in Anspruch zu nehmen, ist eine Abgeltung vorzunehmen (BAG, Urteil v. 23.03.2010, Az. 9 AZR 128/09).

Konnte der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses neben dem gesetzlichen Mindesturlaub seinen ihm zustehenden Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung aufgrund Krankheit nicht in Anspruch nehmen, so hat eine Abgeltung dieser Urlaubsansprüche zu erfolgen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2010, Az. 9 AZR 128/09).

Sachverhalt:

Die Parteien streiten sich um die Frage, ob dem bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses wegen Krankheit arbeitsunfähigen Arbeitnehmer Urlaubsabgeltungsansprüche hinsichtlich des ihm zustehenden Zusatzurlaubs wegen Schwerbehinderung zustehen.

Der Arbeitnehmer war von September 2004 durchgehend bis September 2005 arbeitsunfähig erkrankt. Zu Ende September 2005 hat das Arbeitsverhältnis geendet, weil dem Arbeitnehmer von da an eine Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden ist. Seinen Urlaub für die Jahre 2004 und 2005 hat der Arbeitnehmer wegen andauernder Krankheit nicht in Anspruch nehmen können. Der Arbeitnehmer verlangt deshalb vom Arbeitgeber, dass eine Abgeltung der neben dem gesetzlichen Mindesturlaub weiterhin angefallenen fünf zusätzlichen Urlaubstage wegen der Schwerbehinderung erfolgen müsse. Der Arbeitgeber wendet ein, dass der Anspruch wegen der dauernden Krankheit des Arbeitnehmers verfallen sei und damit auch eine Abgeltung ausscheiden würde.

Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung (Urteil vom 23. 03. 2010, Az. 9 AZR 128/ 09) dem Arbeitnehmer Recht gegeben und den Arbeitgeber zur Abgeltung des Zusatzurlaubs wegen Schwerbehinderung verurteilt. Das BAG bezieht sich in seiner Urteilsbegründung auf die Wertung der Urteile des EuGH vom 20.01.2009 (C-350/06 und C- 520/06). Dort wurde entschieden, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht wie bisher mit Ablauf des 31.03. des Folgejahres verfällt, konnte der Urlaub bis dahin aufgrund von Krankheit nicht in Anspruch genommen werden. Zwar hatte der EuGH nur hinsichtlich des gesetzlichen Urlaubs zu entscheiden. Der Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung sei aber ebenso als Mindesturlaub nach dem Gesetz zu verstehen, da der Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung gesetzlich festgelegt sei und für die Arbeitsvertragsparteien gerade nicht zur Disposition stünde. Folglich seien auch für den Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung die Grundsätze für den gesetzlichen Mindesturlaub anzuwenden. Da im vorliegenden Fall der Urlaubsanspruch wegen der Krankheit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbar war, war dem Arbeitnehmer eine Abgeltung für den Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung zuzusprechen. Die Abgeltung des Zusatzurlaubs wegen Schwerbehinderung betraf dabei den Zusatzurlaub für die Jahre 2004 und 2005. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. 03. 2010, Az. 9 AZR 128/ 09)

Auswirkungen und Empfehlungen:

Aus Arbeitgebersicht wird die Entscheidung umso mehr dazu beitragen, potentiell lang erkrankten Arbeitnehmern möglichst frühzeitig zu kündigen, um ein Auflaufen von Urlaubsabgeltungsansprüchen zu vermeiden. Jedenfalls greift der früher mögliche Einwand, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des ersten Quartals des Folgejahres auch bei durchgängiger Krankheit verfallen, nicht mehr. Ob der Arbeitnehmer seine Ansprüche aber tatsächlich geltend machen kann, hängt nicht unwesentlich davon ab, inwieweit sich der Arbeitgeber tarifliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen zu Nutze machen kann. Aus meiner Erfahrung heraus ist vielen Arbeitgebern die Thematik der Ausschlussfristen allerdings unbekannt.

Arbeitnehmer sollten generell bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Überlegungen zu noch offenen Urlaubsansprüchen anstellen. Bezüglich möglicher Urlaubsabgeltungsansprüche sollten Sie sich durch Arbeitgeber nicht mit dem Einwand des Verfalls der Ansprüche auf gesetzlichen Mindesturlaub und des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte abspeisen lassen. Viele Arbeitgeber werden dies nämlich dennoch - sei es aus Unwissenheit oder Gerissenheit - weiterhin versuchen. Ist das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Gesundung hingegen nicht beendet und hat der Arbeitnehmer tatsächlich noch die Möglichkeit, den Urlaub im aktuellen Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen, so sollte er dies tun. Anderenfalls dürfte dann nämlich wieder die gesetzliche Regelung des Verfalls der Urlaubsansprüche greifen.









Eingestellt am 31.05.2010 von Dr. Thomas Langner
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