Die Beleidigung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer zieht nicht zwingend eine außerordentlich fristlose Kündigung nach sich (LAG Thüringen, Urteil vom 29.06.2022 – 4 Sa 212/21)



Der Fall:

Nach einer gewonnenen Kündigungsschutzklage ist die Arbeitnehmerin zur Fortsetzung ihrer Arbeitstätigkeit in das Unternehmen des Arbeitgebers zurückgekehrt. Statt mit ihrer bisherigen Tätigkeit wurde sie indes mit Archivierungsarbeiten im Keller beauftragt. Dort herrschten Temperaturen von 11 Grad, der Keller war befallen von Schimmel sowie Mäusen und deren Hinterlassenschaften. Zum Transport der Akten wurde der Klägerin eine Wegstrecke für alle sichtbar über den Betriebshof angeordnet, obgleich es einen weniger unbeschwerlicheren Zugang gegeben hätte. Nachdem sich die Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber in beleidigender Weise geäußert habe, verfasste der Arbeitgeber abermals ein Kündigungsschreiben. In diesem sprach er der Arbeitnehmerin ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist eine außerordentliche Kündigung aus. Hiergegen setzte sich die Arbeitnehmerin im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Wehr. Die außerordentlich fristlose Kündigung sei ungerechtfertigt. Jedenfalls aber hätte ihr vorweg eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen. (LAG Thüringen, Urteil vom 29.06.2022 – 4 SA 212/21)



Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Keine außerordentliche Kündigung nach Beleidigung
Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht weist im Rahmen seiner Entscheidung darauf hin, dass eine Gesamtbetrachtung der Umstände erfolgen müsse. Zwar könne es sein, dass Beleidigungen eines Arbeitnehmers den Arbeitgeber zum Ausspruch einer außerordentlich fristlosen Kündigung rechtfertigen. Im konkreten Fall müssten jedoch in die Beurteilung die besonderen Umstände der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin einfließen. Habe der Arbeitgeber – wie hier – die Arbeitnehmerin nicht mit dem notwendigen Respekt behandelt, müsse er umgekehrt auch ein höheres Maß an Respektlosigkeit der Arbeitnehmerin hinnehmen. Der Maßstab für das Vorliegen eines wichtigen Grundes zum Ausspruch einer außerordentlich fristlosen Kündigung sei daher höher anzusetzen. Darüber hinaus hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass dem Arbeitgeber in der konkreten Situation ohnehin zuzumuten gewesen wäre, vorweg eine Abmahnung auszusprechen. Die Arbeitnehmerin hatte deshalb Erfolg.












Eingestellt am 11.04.2023 von Dr. Thomas Langner
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