Ordentliche krankheitsbedingte Kündigung nur möglich bei Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers (BAG, Urteil vom 22.07.2021 - 2 AZR 125/21)



Der Fall:

Der Arbeitgeber kündigt einer bei ihm seit mehr als 20 Jahren beschäftigten Arbeitnehmerin. Die ordentliche Kündigung erfolgte aus krankheitsbedingten Gründen. Die Arbeitnehmerin war in den letzten sechs Jahren vor dem Kündigungszeitpunkt immer wieder über längere Zeiträume erkrankt. Während dieses Zeitraums leistete der Arbeitgeber mehrfach Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Zuschüsse zum Krankengeld, tarifliche Einmalzahlungen, Weihnachtsgeld und Bonuszahlungen. Wegen dieser Zahlungen sieht er sich wirtschaftlich in besonderem Maße belastet, weswegen die krankheitsbedingte Kündigung möglich sei. Die Arbeitnehmerin erhebt gegen die krankheitsbedingte ordentliche Kündigung Kündigungsschutzklage. Nach deren Auffassung sind die Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers nicht kündigungsrelevant. (BAG, Urteil vom 22.07.2021 – 2 AZR 125/21)



Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Ordentliche krankheitsbedingte Kündigung
Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht führt zunächst dazu aus, wann krankheitsbedingte ordentliche Kündigungen wirksam sind. Das ist der Fall, wenn eine negative Gesundheitsprognose für die Zukunft besteht und aufgrund dessen mit erheblichen Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers zu rechnen sei. Wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers seien dann in erheblicher Weise beeinträchtigt, wenn der Arbeitgeber insbesondere Zahlungen auf Basis zwingender gesetzlicher Vorschriften tätigen muss. Das sei zwar bei der Entgeltfortzahlung der Fall, nicht aber bei freiwilligen Zahlungen. Erbringe der Arbeitgeber mit Zuschüssen zum Krankengeld, tariflichen Einmalzahlungen, Weihnachtsgeld oder Bonuszahlungen solcherlei freiwillige Leistungen, hätte es ihm freigestanden, Kürzungsregelungen zu vereinbaren. Diese hätten Ihm das Risiko der unverminderten Fortzahlung im Krankheitsfall der Arbeitnehmerin genommen hätten. Bei Vereinbarung solcher Kürzungsregelungen wäre es dem Arbeitgeber möglich gewesen, seine wirtschaftliche Belastung im Krankheitsfall zu minimieren bzw. zu beseitigen. Im konkreten Fall verblieb es daher lediglich noch bei notwendigen Entgeltfortzahlungsansprüchen für den gesetzlichen Zeitraum von sechs Wochen. Diese Zahlungsverpflichtung falle in den generellen Risikobereich des Arbeitgebers. Sie stelle keine besondere erhebliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers dar. Die ordentliche krankheitsbedingte Kündigung wurde daher als unwirksam erachtet. Die Arbeitnehmerin hat deshalb ihr Arbeitsgerichtsverfahren gewonnen.












Eingestellt am 13.12.2021 von Dr. Thomas Langner
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