Unwirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung nach sachlich ungerechtfertigter Abmahnung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.06.2009, 2 AZR 283/08)

Eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber ist dann unwirksam, liegt dieser weder eine besonders schwere Pflichtverletzung des Arbeitnehmers zu Grunde, die eine vorhergehende Abmahnung entbehrlich machen würde, oder mangelt es an wenigstens einer zuvor ausgesprochenen sachlich gerechtfertigten einschlägigen Abmahnung.

Sachverhalt:

Der Arbeitnehmer war seit 40 Jahren bei seinem Arbeitgeber, einer Presseagentur, als Pressefotograf angestellt. Der Arbeitgeber hat dem Kläger gegenüber im März 2006 eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen. Anlass der Kündigung war die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit einem Eisenbahnunglück, wo sich der Arbeitnehmer an der Unfallstelle gegenüber der Polizei zwar mündlich, nicht aber durch das Vorzeigen seines Presseausweises als Fotojournalist zu erkennen gab. Dem Arbeitnehmer ist deshalb durch die Polizei ein Platzverweis ausgesprochen worden.
Der Arbeitgeber stützt die Kündigung darauf, dass der Arbeitnehmer bereits 2004 (Störung eines Fernsehinterviews) und 2005 (unangemessene Äußerungen anlässlich eines offiziellen Empfangs) einschlägig abgemahnt worden sei und er nun seine vertraglichen Pflicht, sich als Bildberichterstatter korrekt und höflich zu verhalten, erneut verletzt habe.
Der Arbeitnehmer wendet sich gegen die Kündigung. Er räumt zwar sein jüngstes Fehlverhalten ein, weist aber darauf hin, dass er nicht einschlägig abgemahnt worden sei, weil die beiden früheren Abmahnungen nicht bestimmt genug gewesen seien, deshalb jeweils durch rechtkräftige Urteile wegen mangelnder Bestimmtheit aus der Personalakte zu entfernen gewesen seien und folglich keine Wirksamkeit mehr entfalten können.

Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 23.06.2009 (Az.: 2 AZR 283/08) dem Arbeitnehmer Recht gegeben. Zwar kann die Beklagte von ihren Mitarbeitern bei deren Tätigkeit ein korrektes und höfliches Auftreten verlangen. Eine sofortige verhaltensbedingte Kündigung ist aber nur dann möglich, wenn entweder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen kann, der Arbeitgeber werde das Fehlverhalten hinnehmen, oder aber der Arbeitnehmer bereits zuvor einschlägig abgemahnt worden ist.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Pflichtverletzung nicht als eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung eingeordnet, zumal es sich lediglich um eine vertragliche Nebenpflicht gehandelt hat. Zugleich hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass sich der Arbeitgeber zur Untermauerung der verhaltensbedingten Kündigung auch nicht auf die früheren Abmahnungen berufen kann. Hierfür mangelte es den früheren Abmahnungen an einer notwendigen Bestimmtheit. Der Arbeitnehmer konnte dem Inhalt der Abmahnungen gerade nicht entnehmen, welches konkrete Verhalten der Arbeitgeber erwartet und welches Verhalten er zu sanktionieren gedenkt.

Auswirkungen und Empfehlungen:

Eine verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers ist auch ohne Abmahnung wirksam, wenn es sich um eine besonders grobe Pflichtverletzung handelt und der Arbeitnehmer deshalb von Anfang an damit rechnen musste, dass sein Fehlverhalten durch den Arbeitgeber nicht geduldet werden wird.

In allen übrigen Fällen ist bei verhaltensbedingten Kündigungen stets eine einschlägige Abmahnung erforderlich. Eine wirksame Abmahnung erfordert dabei zum einen den klaren Hinweis des Arbeitgebers, welches konkrete Verhalten missbilligt wird, und zum anderen die Warnung, dass der Arbeitgeber im Wiederholungsfall die Kündigung erwägt.

Im vorliegenden Fall hat es jeweils an der sachlichen Grundlage der Abmahnungen gemangelt. Die aus der Personalakte entfernten Abmahnungen blieben deshalb auch unbeachtet. Wäre aber auch nur eine der Abmahnungen aus nur formellen Gründen (z.B. fehlende Anhörung des Betriebsrats trotz entgegenstehender Vorschrift im Tarifvertrag) aus der Personalakte zu entfernen gewesen, so wäre die Warnfunktion erhalten geblieben, da die Abmahnung sachlich nach wie vor gerechtfertigt gewesen wäre. Dann wäre auch die verhaltensbedingte Kündigung wirksam gewesen.

Im Hinblick auf diese Wertung könnte der Eindruck entstehen, dass die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte dann doch ohne Nutzen für den Arbeitnehmer wäre, wenn doch wieder auf die Warnfunktion zurückgegriffen werden kann. Diese Überlegung griffe aber zu kurz, schließlich hat der tatsächliche Inhalt von Personalakten in der Regel auch Einfluss auf das berufliche Fortkommen.








Eingestellt am 17.09.2009 von Dr. Thomas Langner
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