Die Rentennähe eines Arbeitnehmers kann sich bei einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen der Sozialauswahl zu dessen Lasten auswirken. (BAG, Urteil vom 08.12.2022 – 6 AZR 31/22)



Der Fall:

Die Arbeitnehmerin erhebt Kündigungsschutzklage gegen eine ihr unter Einhaltung der Kündigungsfrist ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung vor dem Arbeitsgericht. Sie ist der Auffassung, der Arbeitgeber habe im Rahmen der vor Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung vorzunehmenden Sozialauswahl ihr Alter nicht adäquat berücksichtigt. Vielmehr sei sie im Vergleich zu einem weiteren Arbeitnehmer deshalb sozial schutzbedürftiger, weil dieser jünger sei als sie und die übrigen Sozialdaten grundlegend vergleichbar wären. Auf Basis dessen hätte nicht ihr, sondern dem anderen Arbeitnehmer die betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden müssen. Der Arbeitgeber ist hingegen der Auffassung, dass gerade aufgrund der Rentennähe der Arbeitnehmerin deren soziale Schutzbedürftigkeit wieder abnehme und deshalb dem anderen Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl der Vorzug zu geben war. Da die betreffende Arbeitnehmerin absehbar durch ihren künftigen Rentenbezug sozial abgesichert sei und bis dahin nahtlos Arbeitslosengeld erhalte, müsse dem anderen Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl der Vorzug gegeben werden. Deshalb sei die der Arbeitnehmerin ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung wirksam. (BAG, Urteil vom 08.12.2022 – 6 AZR 31/22)



Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Sozialauswahl bei Kündigung rentennaher Jahrgänge
Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat sich im Rahmen seiner Entscheidung zugunsten des Arbeitgebers ausgesprochen. Dabei hat es darauf hingewiesen, dass grundlegend zwar mit zunehmendem Alter die soziale Schutzbedürftigkeit steige, weil sich typischerweise hierdurch schlechtere Vermittlungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt ergeben. Hiervon müsse aber dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf gesicherte Sozialversicherungsleistungen zurückgreifen könne und deshalb sozial abgesichert sei. Vorliegend war nach einem Übergang des Arbeitslosengelds mit definitivem Renteneintritt zur Altersrente zu rechnen. In derartigen Fällen sei es gerechtfertigt, die Sozialpunkte aufgrund des Lebensalters im Rahmen der Sozialauswahl zu kappen oder rückzuführen. Damit wurde die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers als wirksam angesehen. Das Bundesarbeitsgerichts betonte aber zugleich, dass ausschlaggebend hierfür gewesen sei, dass es sich um eine abschlagsfreie Altersrente gehandelt habe. Für Altersrenten mit Abschlag oder für vorgezogene Altersrenten für schwerbehinderte Menschen gelte dieser Grundsatz nicht. Anderenfalls würden diese Personengruppen in nicht hinnehmbarer Weise diskriminiert. (BAG, Urteil vom 08.12.2022 – 6 AZR 31/22)












Eingestellt am 26.08.2024 von Dr. Thomas Langner
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