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Die unrichtige Dokumentation von Überstunden rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung (BAG, Urteil v. 13.12.2018, 2 AZR 370/18)
Die Parteien befinden sich im Streit über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Der Arbeitnehmer gilt als seit 2001 bei der Arbeitgeberin - einer Stadtverwaltung - beschäftigt, seit 2010 als Abteilungsleiter. Bevor der Arbeitnehmer zum Abteilungsleiter ernannt wurde, erhielt er Erschwerniszuschläge, welche auch zunächst weitergezahlt wurden. Im Jahr 2012 eröffnete die Personalreferentin dem Arbeitnehmer, dass dieser Zuschlag seit der Tätigkeit als Abteilungsleiter ungerechtfertigt wäre, also wegfallen würde und evtl. auch rückwirkend zurückgezahlt werden müsste. Die Personalreferentin unterbreitete dem Arbeitnehmer sodann, dass der weggefallene Erschwerniszuschlag dadurch ausgeglichen werden könnte, indem der Arbeitnehmer stattdessen 7 Überstunden monatlich dokumentiere. Schon zuvor erfolgte der Nachweis über geleistete Überstunden ohne eine nähere Zuordnung von Tagen oder Uhrzeiten, sondern allein anhand der monatlich geleisteten Zahl an Überstunden, welche der Arbeitnehmer selbst als „sachlich und rechnerisch richtig“ unterzeichnete und dies von seinem Vorgesetzen anerkannt wurde. Damit war der Arbeitnehmer einverstanden.
Der Arbeitgeberin fielen die Auffälligkeiten zu den geleisteten Überstunden auf. Der Arbeitnehmer entgegnete bei einer Anhörung, dass es sich tatsächlich nicht um geleistete Überstunden handele, sondern um einen „Grauausgleich“ für den verweigerten Erschwerniszuschlag. Die Arbeitgeberin sprach hierauf die außerordentliche Kündigung aus.
Hiergegen wendet sich der Arbeitnehmer und trägt insbesondere vor, dass es sich um kein heimliches Vorgehen gehandelt habe, sondern dies von der Personalreferentin vorgeschlagen worden sei und er deshalb darauf vertrauen durfte, dass die Arbeitgeberin mit diesem Verhalten als Ausgleich für die nicht vergüteten Erschwerniszuschläge einverstanden gewesen sei. Der Arbeitnehmer beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch außerordentliche Kündigung beendet wurde.
Die Arbeitgeberin ist indes der Ansicht, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung bestehe, welcher in einem schwerwiegenden und über einen erheblichen Zeitraum begangen Arbeitszeitbetrug zu sehen sei. Auch auf den „Grauausgleich“ habe der Arbeitnehmer nicht vertrauen dürfen, schließlich habe er Kenntnis über die Kompetenzen gehabt. (Sachverhalt nach: BAG, Urteil v. 13.12.2018, 2 AZR 370/18)
Das Bundesarbeitsgericht ist vom Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung ausgegangen (BAG, Urteil v. 13.12.2018, 2 AZR 370/18). Es führt hierzu aus, dass es für die Annahme einer außerordentlichen Kündigung des Vorliegens eines wichtigen Grundes bedürfe, gemäß § 34 II 1 TVöD, § 626 I BGB. Die Prüfung ob ein „wichtiger Grund“ bestehe, erfolge dabei zweistufig: Das Verhalten eines Arbeitnehmers müsse zunächst „an sich“ geeignet gewesen sein, einen wichtigen Kündigungsgrund darzustellen. Darüber hinaus müsse eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers stattfinden.
Bei dem vorsätzlichen Handeln des Arbeitnehmers, tatsächlich nicht geleistete Überstunden als solche zu dokumentieren, um den weggefallenen Erschwerniszuschlag auszugleichen, handele es sich zunächst um einen schweren Vertrauensmissbrauch, welcher „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.
Zudem stelle sich im konkreten Fall die außerordentliche Kündigung im Rahmen einer Interessenabwägung nicht als unverhältnismäßig dar. Hierbei müsse das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegen das Arbeitgeberinteresse an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses miteinander abgewogen werden, um über die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung trotz einer Pflichtverletzung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entscheiden zu können. Berücksichtigt werden müssten dabei stets die konkreten Umstände des Einzelfalles (z.B.: Schwere und Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, Grad des Verschuldens, Dauer des Arbeitsverhältnisses). Das Bundesarbeitsgericht nahm an, dass der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten vorsätzlich verletzte. Auch sei das „Anstiften“ der Personalreferentin allenfalls zu Beginn des pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, schließlich handelte dieser danach über mehrere Jahre durch bewusst falsches Ausfüllen der Nachweise immer wieder neu vorsätzlich pflichtwidrig, obwohl er jederzeit zu einem rechtstreuen Verhalten hätte zurückkehren können. Zudem stelle sich das Verhalten des Arbeitnehmers als schwerer Vertrauensmissbrauch dar - insbesondere angesichts seiner Vorbildfunktion als Vorgesetzter. Auch soziale Belange und die Dauer des Arbeitsverhältnisses könnten in Anbetracht der dauerhaften, systematischen und vorsätzlichen Vorgehensweise des Arbeitnehmers nicht für sein überwiegendes Interesse angeführt werden. Zwar mag sich der Arbeitnehmer angesichts der Nichtgewährung des Erschwerniszuschlags ungerecht behandelt gefühlt haben. Hieraus könne aber keinesfalls eine Rechtfertigung seines Handelns abgeleitet werden. Vielmehr wäre es ihm jederzeit zumutbar gewesen, eine Überprüfung der Rechtfertigung des Wegfalls des Erschwerniszuschlags gerichtlich prüfen zu lassen (BAG, Urteil v. 13.12.2018, 2 AZR 370/18).
Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass Arbeitszeitbetrug regelmäßig eine außerordentliche Kündigung nach sich zieht. Das gilt auch, wenn der unmittelbare Vorgesetzte hieran mitwirken sollte. Leider ist hier nicht bekannt, mit welchen personalrechtlichen Sanktionen die Personalreferentin bedacht wurde.
Arbeitgeber sollten Wert darauf legen, dass Nachweise über geleistete Überstunden eine exakte Nachvollziehbarkeit ermöglichen und die Tages- und Uhrzeiten genau erfasst sind.
(BAG, Urteil v. 13.12.2018, 2 AZR 370/18)
Eingestellt am 03.06.2019 von Dr. Thomas Langner
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