Ist bei Arbeit auf Abruf keine Arbeitszeit vereinbart, ist ohne konkrete andere Anhaltspunkte pauschal von 20 Wochenarbeitsstunden auszugehen (BAG, Urteil vom 18.10.2023 – 5 AZR 22/23)



Der Fall:

Die Arbeitnehmerin war beim Arbeitgeber im Bereich Verpackung/Post beschäftigt. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde vereinbart, dass die Arbeitnehmerin je nach Bedarf Arbeit auf Abruf erbringen müsse. Dieses flexible Arbeitszeitmodell wurde seit 2009 praktiziert. Ein konkreter Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit wurde nie vereinbart. Die Arbeitskraft der Arbeitnehmerin wurde seither je nach Bedarf in unterschiedlicher wöchentlicher Stundenzahl abgefordert. Als im Lauf der Jahre die vom Arbeitgeber abgerufene Arbeitszeit immer weniger wurde und demzufolge auch weniger vergütet wurde, will die Arbeitnehmerin ihre wöchentliche Arbeitszeit festgestellt wissen. Sie trägt im arbeitsgerichtlichen Verfahren vor, dass sie in den letzten drei Jahren umgerechnet durchschnittlich 23,82 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Auf Basis dieser Arbeitszeit müsse der Arbeitgeber nun auch für die Monate in der Vergangenheit entlohnen, hinsichtlich derer von ihm weniger Arbeitszeit vergütet wurde. Der Arbeitgeber verweist auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Danach ist eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart anzunehmen, wenn keine konkrete Regelung existiere. Gerade wegen der gesetzlichen Regelung könne der Arbeitsvertrag auch nicht anders ausgelegt werden. (BAG, Urteil vom 18.10.2023 – 5 AZR 22/23)



Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Arbeitszeit bei Arbeit auf Abruf
Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht weist die Klage der Arbeitnehmerin zurück. Sei keine konkrete wöchentliche Arbeitszeit vereinbart, greife in der Regel die fiktive Regelung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Danach ist in solchen Fällen von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden auszugehen. Das gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit tatsächlich mehr Arbeitsleistung erbracht habe. Das gelte umgekehrt auch, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich weniger als 20 Wochenstunden gearbeitet habe. Dann sei ebenso auf Basis der 20 Wochenarbeitsstunden zu vergüten. Anders wäre das lediglich dann zu beurteilen, wenn sich die gesetzliche Fiktion von 20 Wochenarbeitsstunden im konkreten Fall als nicht sachgerecht darstellen würde. Das könne dann der Fall sein, wenn objektive Anhaltspunkte für eine im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags anfängliche Regelungslücke sprechen würden. Könne für einen solchen Fall festgestellt werden, dass die Parteien etwas anderes gewollt hätten, dann würde sich die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben. Im vorliegenden Fall konnte das Bundesarbeitsgericht jedoch keinen Rückschluss auf die Vorstellungen der Arbeitsvertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses herleiten. Demzufolge sah es keinen Anlass, um von der gesetzlichen Fiktion abzuweichen. Da folglich von einer Arbeitszeit mit 20 Wochenarbeitsstunden auszugehen war, scheiterten die von der Arbeitnehmerin geltend gemachten Ansprüche auf nachzuzahlenden Lohn. (BAG, Urteil vom 18.10.2023 – 5 AZR 22/23)












Eingestellt am 01.07.2024 von Dr. Thomas Langner
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