Kommt der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten nicht nach, verfällt der Urlaub des Arbeitnehmers im Jahr der beginnenden Dauererkrankung nicht. (EuGH, Urteil vom 22.09.2022 – C-518/20, C-727/20)



Der Fall:

Ab Ende 2015 war der Arbeitnehmer dauernd erkrankt. Die Erkrankung zog sich über mehrere Kalenderjahre. Wegen der Erkrankung wurde das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen zum Ablauf des Jahres 2019 auch gekündigt. Der Arbeitnehmer forderte vom Arbeitgeber für die Jahre 2015 bis 2017 Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber sieht keine Urlaubsabgeltungsansprüche gegeben. Nach seiner Auffassung sei der Urlaub 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen. Der Arbeitnehmer sieht das anders. Der Arbeitgeber habe ihn nämlich nicht auf die Notwendigkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs und dessen sonst eintretenden Verfall hingewiesen. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass das unerheblich sei. Der Arbeitnehmer hätte den Urlaub wegen der dauerhaften Erkrankung ohnehin nicht in Anspruch nehmen können.

Für die Jahre 2016 und 2017 hatte bereits das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 07.09.2021 entschieden, dass dem Arbeitgeber Recht zu geben sei. Wegen der dauernden Erkrankung des Arbeitnehmers sei die fehlende Mitwirkung des Arbeitgebers nicht ursächlich für die Nichtinanspruchnahme von Urlaub gewesen. Vielmehr habe der Arbeitnehmer wegen der dauernden Erkrankung ohnehin keinen Urlaub nehmen können. In solchen Fällen sei es unerheblich, ob der Arbeitgeber seiner Mitwirkung gerecht geworden sei oder nicht.

Das Bundesarbeitsgericht hatte aber für das Jahr 2015 den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dieser hatte die Fragestellung zu klären, ob im Jahr der beginnenden Dauererkrankung die fehlende Mitwirkung des Arbeitgebers einen Verfall von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers verhindert. Denn auf Grund der fortsetzenden Dauererkrankung wäre der Arbeitnehmer auch hier nicht in der Lage gewesen, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen. (EuGH, Urteil vom 22.09.2022 – C-518/20, C-727/20)



Fachanwalt für Familienrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Kein Verfall von Urlaub bei fehlendem Hinweis des Arbeitgebers
Die Entscheidung:

Nach Auffassung des EuGH tritt trotz der sich an das Jahr 2015 anschließenden Dauererkrankung bis zum Abschluss des Arbeitsverhältnisses kein Verfall des Urlaubsanspruchs für 2015 ein. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass der Arbeitnehmer im Jahr des Beginns seiner Dauererkrankung seinen Urlaub insgesamt hätte in Anspruch nehmen können. Schließlich habe der Arbeitnehmer im betreffenden Kalenderjahr noch gearbeitet und hätte seinen Urlaub möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt in Anspruch genommen. Im Jahr des Beginns der dauernden Erkrankung treffe den Arbeitgeber deshalb immer eine Mitwirkungspflicht. Er müsse den Arbeitnehmer auf den Urlaub und den drohenden Verfall hinweisen. Von dieser Mitwirkungsobliegenheit sei im Jahr des Beginns der Dauererkrankung auch nicht abzuweichen. Anderenfalls würde dies dazu führen, dass der Arbeitgeber für seine Pflichtverletzung auch noch mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs belohnt würde. (EuGH, Urteil vom 22.09.2022 – C-518/20, C-727/20)












Eingestellt am 27.12.2022 von Dr. Thomas Langner
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