Urlaub und Urlaubsabgeltung auch bei andauernder Krankheit des Arbeitnehmers (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07)

In seiner Entscheidung vom 24.03.2009 befasst sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) erstmals seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 20.01.2009 mit der Frage der Urlaubsabgeltung bei andauernder Krankheit eines Arbeitnehmers und ändert seine bisherige Rechtsprechung (BAG, Urt. v. 24.03.2009 - 9 AZR 983/07).

Sachverhalt:

Geklagt hatte eine vom 22.08.2005 bis zum 31.01.2007 als Erzieherin beschäftigte Arbeitnehmerin. Ziel der Arbeitnehmerin war es, für nicht in Anspruch genommenen Urlaub Urlaubsabgeltungsansprüche geltend zu machen. Hintergrund des Begehrens war die Krankheit der Arbeitnehmerin ab dem 02.06.2006 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses und darüber hinaus bis jedenfalls zum 31.03.2007. Aufgrund dessen war der Arbeitgeber der Auffassung, Ansprüche auf Urlaubsabgeltung seien erloschen.

Entscheidung:

Unter Abänderung seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung hat das BAG unter Berücksichtigung des jüngst ergangenen Urteils des EuGH der Arbeitnehmerin Recht gegeben und trotz andauernder Krankheit einen Urlaubsabgeltungsanspruch zugesprochen.
Kann ein Arbeitnehmer wegen Krankheit seinen jährlichen Urlaub ganz oder teilweise nicht in Anspruch nehmen, kommt es zur gesetzlichen Übertragung des Urlaubs auf das Folgejahr. Wurde der Arbeitnehmer jedoch selbst im Übertragungszeitraum, also bis zum 31.03. des Folgejahres, nicht wieder arbeitsfähig, entfiel der Urlaubsanspruch für das abgelaufene Kalenderjahr nach der bisherigen Rechtsprechung. Einhergehend damit war auch der Verfall der Urlaubsabgeltungsansprüche verbunden.
Mit seinem Urteil vom 20.01.2009 ist der EuGH dieser Praxis entgegengetreten, weil sie nicht mit europäischem Recht in Einklang zu bringen ist. Er hat geurteilt, dass der Anspruch auf Mindesturlaub weder eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Folgerichtig musste es zur Änderung der Rechtsprechung des BAG kommen. Das BAG hat damit der Arbeitnehmerin Recht gegeben. Es hat festgestellt, dass deren Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht erlischt, da die Arbeitnehmerin wegen Krankheit nicht in der Lage war, ihren Urlaub in Anspruch zu nehmen. Wegen der zwischenzeitlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt es nun zur Abgeltung der noch offenen Urlaubsansprüche.

Auswirkungen und Empfehlung:

Für Arbeitnehmer hat sich aufgrund der geänderten Rechtsprechung die Situation verbessert. Zwar ist die Entscheidung nur zum gesetzlichen Mindesturlaub getroffen, es dürfte aber zu erwarten sein, dass eine richtlinienkonforme Auslegung grundsätzlich auch vertragliche und tarifliche Zusatzurlaubsansprüche erfasst. Zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht die Wahl zwischen Inanspruchnahme von Urlaub oder Urlaubsabgeltung hat. Ein Abgeltungsanspruch kommt nur in Betracht, wenn aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Inanspruchnahme von Urlaub nicht mehr möglich ist.

Für den Arbeitgeber bringt die geänderte Rechtsprechung schlecht überschaubare finanzielle Risiken mit sich. Zu empfehlen ist deshalb, möglichst rascher als bisher über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei andauernder Krankheit nachzudenken, sei es durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag. Sonst ist zu befürchten, dass sich Urlaubsansprüche bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche auflaufen. Zudem sollte vorbeugend darüber nachgedacht werden, Arbeitsverträge umzugestalten, dass ein Verfall des über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs möglich wird. Dabei ist der Frage besondere Beachtung zu widmen, ob eine solche Regelung der gesetzlichen Inhaltskontrolle standhält.








Eingestellt am 21.06.2009 von Dr. Thomas Langner
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