Werden Überstunden für Teilzeitbeschäftigte erst ab Überschreitung der Arbeitszeit für Vollzeitkräfte gezahlt, stellt das eine Ungleichbehandlung dar. (EuGH, Urteil vom 09.10.2023 – C 660/20)



Der Fall:

Der Arbeitnehmer ist bei einer Fluggesellschaft in Teilzeit als Pilot beschäftigt. Seine Arbeitszeit beträgt 90 % einer Vollzeitbeschäftigung. Nach den anwendbaren tarifvertraglichen Vorschriften erhalten Vollzeitkräfte und Teilzeitkräfte einheitlich eine Überstundenvergütung erst ab einer Arbeitszeit, die über der Arbeitszeit von Vollzeitkräften liegt. Das hält der Arbeitnehmer für ungerechtfertigt, weil bei Überschreitung seiner monatlichen Arbeitszeit als Teilzeitkraft damit zunächst keine Überstundenvergütung für ihn anfällt. Zur Klärung dessen erhebt er Klage vor dem Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber verweist auf die Tarifautonomie und hält die tarifvertraglichen Vorschriften für wirksam. Das Bundesarbeitsgericht hatte den Fall zu entscheiden. Es hat das Verfahren jedoch ausgesetzt und die Fragestellung dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt. Zu klären war, ob die tarifvertraglichen Regelungen eine Schlechterbehandlung von Teilzeitbeschäftigten darstellen oder nicht. (EuGH, Urteil vom 09.10.2023 – C 660/20)



Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften bei Überstundenvergütung
Die Entscheidung:

Zunächst arbeitet der Europäische Gerichtshof heraus, dass einzelne Lohnbestandteile jeweils auch einzeln zu betrachten seien. Hinsichtlich der Überstundenvergütung sei festzuhalten, dass die Erfüllung der Voraussetzungen für Teilzeitbeschäftigte weitaus seltener sei, obgleich diese auch über ihre arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus tätig würden. Insbesondere seien nicht die individuellen Besonderheiten der Arbeitsbelastung von Teilzeitbeschäftigten berücksichtigt. Gerade Teilzeitbeschäftigte besitzen in jedem individuellen Einzelfall Gründe für ihre Teilzeitbeschäftigung, seien dieser privater oder anderer Natur. Im vorgelegten Tarifvertrag seien auch keine Sachgründe ersichtlich, die eine solche Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten rechtfertigen würden. Deshalb sah der EuGH eine Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten.

Unter Maßgabe dieser Einschätzung hat das Bundesarbeitsgericht nun seine eigene Entscheidung zu treffen. Dabei ist davon auszugehen, dass es dem Arbeitnehmer zusprechen wird. Das Bundesarbeitsgericht wird prognostisch gesehen die Grenze der monatlich zu erbringenden Stundenanzahl beim teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer proportional herabsetzen. Einhergehend damit wird dann damit zu rechnen sein, dass die Überstundenvergütung bereits bei einer geringer erbrachten Anzahl von monatlichen Arbeitsstunden zugesprochen wird. (EuGH, Urteil vom 09.10.2023 – C 660/20)












Eingestellt am 08.04.2024 von Dr. Thomas Langner
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