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Häufige Irrtümer im Arbeitsrecht



Immer wieder mache ich in der täglichen Kanzleiarbeit die Erfahrung, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen häufigen Irrtümern aufsitzen, die sich - warum auch immer - hartnäckig zu halten scheinen, aber keine Grundlage in der Rechtsordnung finden. In loser Aufzählung seien hier beispielhaft Folgende benannt:


Irrtum 1: Während einer Erkrankung kann nicht gekündigt werden

Richtig ist: Auch während einer Erkrankung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber kündigen. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen kann der Arbeitgeber sogar eine Kündigung wegen der Krankheit aussprechen. Die Erkrankung als solche bietet keinen besonderen Kündigungsschutz. Mit Zugang der Kündigung während der Erkrankung beginnt im Falle ordentlicher Kündigungen die Kündigungsfrist zu laufen. Im Fall einer außerordentlich fristlosen Kündigung würde das Arbeitsverhältnis zu sofort enden. Zudem beginnt die 3-wöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage, um die Wirksamkeit der Kündigung vor dem Arbeitsgericht anzugreifen.


Irrtum 2: Bevor verhaltensbedingt gekündigt werden kann, muss dreimal abgemahnt werden

Richtig ist: In der Regel genügt eine einmalige Abmahnung, um beim nächsten gleichartigen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten kündigen zu können. Mit einer Abmahnung wird der Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten hingewiesen und zugleich darauf aufmerksam gemacht, dass er im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen muss. Mitunter ist in besonderen Ausnahmefällen noch nicht einmal eine Abmahnung vor dem Ausspruch einer Kündigung nötig. Das kann dann gelten, hat sich der Arbeitnehmer einer besonders schwerwiegenden Pflichtverletzung schuldig gemacht und dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses offensichtlich unzumutbar. Und: Mehrere Abmahnungen können sich sogar als schädlich erweisen, weil sich deren Warnfunktion mit zunehmender Anzahl abschwächt.


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Irrtum 3: Eine Kündigung ist auch mündlich möglich

Richtig ist: Der Ausspruch einer Kündigung muss nach § 623 BGB zwingend durch Zugang des Originals des Kündigungsschreibens in Schriftform geschehen. Das bedeutet zugleich, dass die Kündigung auch im Original durch den Kündigenden unterzeichnet werden muss. Eine diese Form nicht beachtende Kündigungserklärung ist unwirksam. Insbesondere sind damit auch Kündigungen per Telefax, SMS oder WhatsApp ausgeschlossen. Mitunter sind in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen sogar noch strengere Formvorschriften vorgesehen - etwa, dass eine Kündigung nur durch eingeschriebenen Brief erfolgen kann.


Irrtum 4: Eine Kündigung ist unwirksam, wenn sie nicht begründet wurde.

Richtig ist: Eine Kündigung muss grundsätzlich nicht begründet sein (Ausnahmen gelten aber z.B. bei Azubis, für Schwangere oder aufgrund vertraglicher bzw. tarifvertraglicher Regelungen). Für den Arbeitgeber wäre es auch unklug, sich frühzeitig festzulegen, da eine zu kurz greifende Begründung mehr Angriffsfläche für den klagenden Arbeitnehmer bieten würde. Der Arbeitnehmer sollte aber im Fall einer außerordentlichen Kündigung die gesetzliche Möglichkeit nutzen und den Arbeitgeber zur Begründung auffordern (vgl. § 626 II 3 BGB), um dann seine Chancen für eine Kündigungsschutzklage besser einschätzen zu können.


Irrtum 5: Minijobs sind keine richtigen Arbeitsverhältnisse

Richtig ist: Zwar bestehen bei Minijobs im sozialversicherungsrechtlichen Bereich gewisse Besonderheiten. Diese haben aber keinen Einfluss darauf, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer dieselben Rechte und Pflichten wie in jedem anderen Arbeitsverhältnis haben. Auch im Minijob haben Arbeitnehmer damit Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaub. Die Besonderheit eines Minijobs liegt vorrangig lediglich im geringeren Beschäftigungsumfang und der damit einhergehenden geringeren Höhe des Arbeitsentgelts.


Irrtum 6: Abfindungen werden auf das Arbeitslosengeld angerechnet

Richtig ist: Wer eine Abfindung erhält, muss die Kürzung seines Arbeitslosengeldes dann nicht befürchten, wurde im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten. Nur wenn das nicht der Fall war, ruht der Arbeitslosengeldanspruch für die Dauer der regulären Kündigungsfrist. Ausführungen zu sonstigen Abzügen bei Abfindungen finden Sie: hier.


Irrtum 7: Kündigungsschutz setzt immer nach Ablauf der Probezeit ein

Richtig ist: Voller Kündigungsschutz setzt erst nach Ablauf von 6 Monaten ein. Zudem müssen im betreffenden Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sein. Ist keine oder eine kürzere Probezeit als 6 Monate vereinbart, setzt der Kündigungsschutz in diesen Fällen dennoch nicht eher ein. Eine nicht vereinbarte Probezeit bzw. deren Ablauf vor 6 Monaten führt lediglich dazu, dass die im Gesetz mögliche Verkürzung der Kündigungsfrist auf 2 Wochen in der Probezeit entfällt und auch dort die gesetzliche Mindestkündigungsfrist von 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende gilt.


Irrtum 8: Eine Kündigung ohne Zustimmung des Betriebsrats ist unwirksam

Richtig ist: In der Regel ist ein Betriebsrat vor jeder Kündigung lediglich anzuhören. Er muss also der Kündigung nicht explizit zustimmen. Ausnahmen gibt es im Bereich des Sonderkündigungsschutzes. Erfolgt die Anhörung nicht oder nicht ordnungsgemäß, ist die Kündigung unwirksam.


Irrtum 9: Wer selbst kündigt, erhält vom Arbeitsamt eine Sperrfrist

Richtig ist: Hat der Arbeitnehmer einen guten Grund für seine Kündigung, ist eine Sperrzeit nicht zu befürchten. Als Grund ist zum Beispiel anerkannt, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht mehr zur Erbringung seiner Arbeitsleistung in der Lage ist. Häufige Fälle sind erhebliche psychische Probleme, die durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verstärkt würden. Das muss jedoch auch nachweisbar sein, etwa durch ärztliche Diagnose. Als Grund gilt auch, wenn die weitere Erbringung der Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer nicht mehr zumutbar ist. Das kann dann der Fall sein, wird ihm vom Arbeitgeber sein Lohn vorenthalten und handelt es sich hierbei nicht nur um einen geringfügigen Lohnrückstand.


Irrtum 10: Eine Kündigung kann zurückgenommen werden

Richtig ist: Eine Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Mit Zugang der Kündigung entfaltet die Kündigung Wirksamkeit. Diese Wirksamkeit ist nicht durch eine Rücknahme zu beseitigen. Die Rücknahmeerklärung ist jedoch als Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot an, wird das Arbeitsverhältnis fortgesetzt. Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet dazu. Es liegt also allein in seiner Hand, ob sein Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird oder ob er die Kündigung doch greifen lassen will.

Irrtum 11: In der Probezeit darf kein Urlaub genommen werden

Richtig ist: Der gesamte Jahresurlaub entsteht zwar erst nach Ablauf von 6 Beschäftigungsmonaten. Ein Teilurlaub erwächst aber mit jedem vollendeten Beschäftigungsmonat auch bereits während der Probezeit in Höhe von jeweils 1/12 des Jahresurlaubs. Der so entstandene Urlaub kann also auch während der Probezeit in Anspruch genommen werden. Oftmals sehen aber Arbeitsverträge oder Tarifverträge eine Urlaubssperre während der Probezeit vor. Unabhängig davon könnte aber auch in solchen Fällen individuell mit dem Arbeitgeber anderes vereinbart und praktiziert werden.


Irrtum 12: Ein Arbeitsvertrag muss immer schriftlich sein

Richtig ist: Im Gegensatz zu einer Kündigung sieht das Gesetz für einen unbefristeten Arbeitsvertrag kein Schriftformerfordernis vor. Solche Arbeitsverträge können folglich auch mündlich geschlossen werden. Zwar verpflichtet das Nachweisgesetz den Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses in einem schriftlichen Arbeitsvertrag festzuhalten. Das soll aber beiden Seiten nur zum Nachweis über die tatsächlich getroffenen Regelungen dienen. Hält sich der Arbeitgeber hieran nicht, ist der Arbeitsvertrag dennoch wirksam. Aber Achtung: Befristete Arbeitsverträge sind für ihre Wirksamkeit stets schriftlich abzuschließen. Geschieht das nicht, ist die Befristung unwirksam und das Arbeitsverhältnis gilt als unbefristetes Arbeitsverhältnis.


Irrtum 13: Beim Vorstellungsgespräch ist auf alle Fragen wahrheitsgemäß zu antworten

Richtig ist: Grundsätzlich müssen solche Fragen im Vorstellungsgespräch wahrheitsgemäß beantwortet werden, die für die Durchführung der Tätigkeit von Bedeutung sind. Besitzt die Frage des Arbeitgebers jedoch keinerlei Zusammenhang mit der zu besetzenden Stelle, besteht das sogenannte „Recht zur Lüge“. Aber Achtung: Es kommt hier auf den Einzelfall an, Pauschalisierungen verbieten sich.


Irrtum 14: Bin ich krankgeschrieben, darf ich das Haus nicht verlassen

Richtig ist: Alles, was dem Heilungsprozess nicht entgegensteht, kann der krankgeschriebene Arbeitnehmer unternehmen. Dazu gehören nicht nur notwendige Besorgungen, sondern auch Freizeitaktivitäten.


Irrtum 15: Wird der Arbeitnehmer im Urlaub krank, hat er Pech gehabt

Richtig ist: Erkrankt der Arbeitnehmer in seinem Urlaub und ist arbeitsunfähig, gilt der Urlaub währenddessen als nicht angetreten. Die entsprechenden Urlaubstage muss der Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt gewähren. Der Urlaub verfällt nicht. Aber Achtung: Der Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit muss dem Arbeitgeber wie auch sonst umgehend zugehen.


Irrtum 16: Teilzeitkräfte besitzen einen geringeren Urlaubsanspruch

Richtig ist: Teilzeitkräfte besitzen denselben Urlaubsanspruch wie Vollzeitkräfte. Arbeiten Teilzeitkräfte wie Vollzeitkräfte an allen Arbeitstagen (nur mit täglich verkürzter Arbeitszeit), so ist die Anzahl der Urlaubstage identisch. Sind Teilzeitkräfte hingegen nur an bestimmten Tagen eingesetzt, wird der Vollzeitkräften zustehende Urlaub entsprechend gequotelt.

Beispiel: Beträgt der Jahresurlaub einer Vollzeitkraft 25 Urlaubstage bei einer Beschäftigung von 5 Tagen in der Woche und ist eine Teilzeitkraft nur an 2 Tagen beschäftigt, dann beträgt der Jahresurlaub der Teilzeitkraft 10 Urlaubstage. Einhergehend damit muss eine Teilzeitkraft dann natürlich auch keinen Urlaub in Anspruch nehmen, wenn sie ohnehin nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet wäre.


Irrtum 17: Wird mir gekündigt, erhalte ich zugleich auch eine Abfindung

Richtig ist: Ein Anspruch auf Abfindung besteht nur in wenigen Ausnahmefällen. Einerseits dann, wenn in einem Sozialplan oder einem Tarifvertrag ein Abfindungsanspruch geregelt ist. Andererseits kann das Arbeitsgericht auf Antrag eine Abfindung dann zusprechen, wenn der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage gegen den Arbeitgeber gewinnt, ihm aber eine Rückkehr an den Arbeitsplatz unzumutbar ist. In allen anderen Fällen ist eine Abfindungszahlung stets das Ergebnis individueller Verhandlungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Je mehr eine Kündigung „wackelt“, desto besser sind die Chancen für den Arbeitnehmer. Dann ist der Arbeitgeber geneigter, einen höheren Abfindungsbetrag deshalb zu zahlen, damit er Planungssicherheit erzielt.



Stand: 10/2024