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Mangelnder Testierwille unmittelbar vor beabsichtigter Erbrechtsberatung zu einem zu erstellenden Testament (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.03.2022 – 11 W 104/20 [Wx])



Der Fall:

Der Erblasser hinterließ seine Ehefrau aus zweiter Ehe und eine aus dieser Ehe hervorgegangene Tochter sowie einen Sohn aus einer früheren Beziehung. Aus einer Schublade in seiner Werkstatt fand sich in Folie gehüllt die Kopie eines Testaments. Dort waren die beiden Kinder als Erben eingesetzt, nicht aber die Ehefrau. Der Sohn des Erblassers beantragt Erlass eines Erbscheins für sich und seine Halbschwester zu gleichen Teilen. Er argumentiert, dass das Original des Testamentes zwar nicht auffindbar sei, die Kopie aber Aussagekraft genug habe. Die Ehefrau hingegen kann beweisen, dass für den Erblasser unmittelbar vor seinem Tod eine Erbrechtsberatung bei einem Notar und einer Rechtsanwältin anstand. Für sie stellt daher die Kopie des Testaments keine testamentarische Verfügung, sondern lediglich einen Entwurf dar. Erst nach der beabsichtigten erbrechtlichen Beratung hätte ein endgültig verfasstes Testament erstellt werden sollen. Da es nicht mehr dazu gekommen sei, müsse gesetzliche Erbfolge eintreten. Damit sei sie neben den Kindern Miterbin geworden und müsse sich nicht nur auf den gesetzlichen Pflichtteil verweisen lassen. (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.03.2022 – 11 W 104/20 [Wx])



Rechtsanwalt Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Mangelnder Testierwille bei Testamentskopie vor Erbrechtsberatung
Die Entscheidung:

Das OLG Karlsruhe weist zwar zunächst darauf hin, dass unter Umständen auch durch eine bloße Kopie des Testaments die Erbfolge nachgewiesen werden könne. Zugleich müsse aber die Überzeugung gewonnen werden, dass im Zeitpunkt der Erstellung eines solchen Testaments auch ein Testierwille vorgelegen habe. Testierwille bedeutet dabei, dass der Erblasser bewusst und gewollt eine rechtsverbindliche Anordnung treffen wollte. Anderenfalls würden lediglich vorbereitende Maßnahmen vorliegen, die erbrechtlich betrachtet unbeachtlich seien. Im Rahmen der Auslegung ergaben sich für das Gericht hieran Zweifel. Insbesondere sei einerseits das Originaltestament nicht aufgefunden worden und andererseits die Kopie des Testaments an einem eher ungewöhnlichen Ort und nicht besonders sorgsam aufbewahrt worden. Zugleich müsse beachtet werden, dass der Erblasser unmittelbar vor Inanspruchnahme einer erbrechtlichen Beratung stand. Einer solchen hätte es dann nicht mehr bedurft, wenn er aus seiner Sicht bereits ein formwirksames Testament errichtet hätte. Gerade das lasse den Schluss zu, dass erst nach der Beratung ein endgültig formwirksames Testament hätte aufgesetzt werden sollen. Vor Inanspruchnahme der erbrechtlichen Beratung könne daher nicht von einem ausreichenden Testierwillen ausgegangen werden. Das Gericht hat daher die Kopie des Testaments nicht als erbrechtliche Verfügung anerkannt. Vielmehr war in Ermangelung eines formwirksamen Testaments von der gesetzlichen Erbfolge auszugehen. Auf Basis dessen waren die Ehefrau und die beiden Kinder Miterben geworden. (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.03.2022 – 11 W 104/20 [Wx])












Eingestellt am 29.10.2022 von Dr. Thomas Langner
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