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Selbstbehalt im Unterhaltsrecht – Die häufigsten Fragen



Fachanwalt für Familienrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Häufigste Fragen zum Selbstbehalt im Unterhaltsrecht


1. Was bedeutet der Selbstbehalt im Unterhaltsrecht?

Der Selbstbehalt versteht sich als Eigenbedarf des Unterhaltsschuldners. Er dient der Sicherung des Existenzminimums des Unterhaltsschuldners.

Das Gesetz benennt zwar, wer gegenüber wem zum Kindesunterhalt, Volljährigenunterhalt, Trennungsunterhalt, nachehelichen Unterhalt oder Elternunterhalt verpflichtet ist. Allerdings kann sich die Situation im Einzelfall so darstellen, dass die zum Unterhalt verpflichtete Person selbst nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, um ihr eigenes Leben angemessen bestreiten zu können. Hier setzt der Selbstbehalt ein. Unterhaltszahlungen sind nur aus dem Einkommensbetrag zu bestreiten, der über dem Selbstbehalt liegt. Ist also die unterhaltsverpflichtete Person nicht ausreichend leistungsfähig, können Unterhaltszahlungen nicht oder nur in geringerer Höhe eingefordert werden. Der Verbleib des Selbstbehalts muss stets garantiert sein.



2. Wie hoch ist der Selbstbehalt?

Die Höhe des Selbstbehaltsbetrags ist abhängig davon, welcher Person gegenüber Unterhalt geschuldet wird. Es ist also zu unterscheiden, ob es sich um Kindesunterhalt für minderjährige Kinder, Unterhalt für volljährige Kinder, Ehegattenunterhalt, Unterhalt gegenüber Eltern oder Unterhalt gegenüber Enkeln handelt. Je näher der Verwandtschaftsgrad und je weniger die unterhaltsberechtigte Person die Möglichkeit zur eigenen Einkommenserzielung besitzt, umso niedriger ist der Selbstbehaltsbetrag. Gegenüber minderjährigen Kindern wird zudem noch danach unterschieden, ob der Unterhaltsverpflichtete erwerbstätig oder erwerbslos ist. Zudem verändert sich die Höhe von Selbstbehaltsbeträgen in regelmäßigen Abständen, angepasst an die sich verändernde Kostenstruktur für die allgemeine Lebensführung.

Welche konkreten Selbstbehaltsbeträge gelten, finden Sie in den folgenden Tabellen:


Selbstbehaltsbeträge im Unterhaltsrecht seit dem 01.01.2024
Speichern Öffnen Selbstbehaltsbetraege_im_Unterhaltsrecht_ab_01.01.2024.pdf (172,55 kb)

Selbstbehaltsbeträge im Unterhaltsrecht seit dem 01.01.2023 bis 31.12.2023
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Selbstbehaltsbeträge im Unterhaltsrecht seit dem 01.01.2020 bis 31.12.2022
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Selbstbehaltsbeträge im Unterhaltsrecht vom 01.01.2015 bis 31.12.2019
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Selbstbehaltsbeträge im Unterhaltsrecht vom 01.01.2013 bis 31.12.2014
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Selbstbehaltsbeträge im Unterhaltsrecht vom 01.01.2011 bis 31.12.2012
Speichern Öffnen Selbstbehaltsbetraege_im_Unterhaltsrecht_vom_01.01.2011_bis_31.12.2012.pdf (31,75 kb)



3. Gibt es eine Rangfolge beim Selbstbehalt für verschiedene Unterhaltsberechtigte?

Die Rangfolge bei der Bestimmung des Selbstbehalts folgt der Rangfolge der Unterhaltsgläubiger. Bei mehreren unterhaltsberechtigten Personen setzt das Gesetz eine konkrete Rangfolge fest, nämlich:

Zunächst wird stets der Unterhalt der ranghöheren unterhaltsberechtigten Person berechnet. Dort wird jeweils anhand des Selbstbehaltsbetrags kontrolliert, ob dem Unterhaltsschuldner nach Abzug des errechneten Unterhaltsbetrags noch genügend zum eigenen Leben verbleibt. Danach wird der Unterhalt für die rangnachfolgende Person berechnet. Das dem Unterhaltsschuldner zur Verfügung stehende Einkommen minimiert sich dabei zusätzlich durch die Unterhaltszahlungen an die ranghöhere Person. Hierdurch kann die Situation eintreten, dass der gegenüber der rangniedrigeren Person einschlägige Selbstbehalt greift und der an diese Person sonst zu zahlende Unterhaltsbetrag sinkt oder gar nichts mehr gezahlt werden muss.

Beispiel 1:

Der berufstätige Vater (V) ist seinem 15-jährigen Kind (K1) und seinem studierenden volljährigen Kind (K2) jeweils zum Unterhalt verpflichtet. Er besitzt ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.500,00 €.

Ausgehend von den Regelungen der Düsseldorfer Tabelle zum Unterhalt und unter Berücksichtigung der Selbstbehaltsbeträge vom Jahr 2023 müsste V an K1 nach Abzug des halben Kindergeldes 463,00 € Unterhalt zahlen (1. Einkommensgruppe/3. Altersstufe). Würde er diesen Betrag zahlen, verblieben ihm nur noch 1.037,00 €. Ihm ist jedoch ein Selbstbehaltsbetrag von 1.370,00 € garantiert. Weil ihm dieser Betrag verbleiben muss, ist der Kindesunterhalt von 463,00 € auf 130,00 € herabzusetzen.

In nächsten Schritt ist der Unterhaltsanspruch von K2 zu prüfen. Das Einkommen des V ist nun auf verbliebene 1.370,00 € gesunken (1.500,00 € abzgl. Unterhalt K1 mit 130,00 €). Der Selbstbehaltsbetrag gegenüber volljährigen Kindern liegt bei 1.650,00 €. Diesen Betrag hat V nicht mehr zur Verfügung. Für K2 ist deshalb kein Volljährigenunterhalt mehr geschuldet.

Beispiel 2:

Wie Beispiel 1, nur dass V jetzt ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.300,00 € besitzt.

Durch das höhere Einkommen wird der Vater beim Minderjährigenunterhalt zunächst in die nächsthöhere Einkommensgruppe eingruppiert. Der Unterhalt leitet sich nun aus der 2. Einkommensgruppe/3. Altersstufe her. Dort ergibt sich ein Zahlbetrag von 493,00 €. Jetzt kann er gegenüber K1 den vollen Unterhaltsbetrag von 493,00 € zahlen. Nach der Zahlung verbleiben ihm noch 1.807,00 €. Dieser Betrag liegt über seinem Selbstbehalt von 1.370,00 €. Der Kindesunterhalt für K1 ist damit nicht wegen des Selbstbehalts zu kürzen.

Für K2 steht jetzt ein verbleibendes bereinigtes Nettoeinkommen von 1.807,00 € zur Verfügung. Gegenüber dem volljährigen Kind K2 hat V einen Selbstbehalt von 1.650,00 €. Mag der Bedarf des K2 auch noch so hoch sein, der Unterhaltsanspruch kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen maximal 157,00 € betragen. Anderenfalls wäre der gegenüber volljährigen Kindern geltende Selbstbehalt für V angegriffen wäre.



4. Was versteht man unter privilegiert volljährigen Kindern?

Zur Herleitung von Selbstbehaltsbeträgen ist es bei Kindern wichtig, welcher Kategorie diese zuzuordnen sind. Man unterscheidet zwischen minderjährigen Kindern, volljährigen Kindern und privilegierten volljährigen Kindern. Privilegiert volljährige Kinder sind solche Kinder, die zwar volljährig sind, denen aber eine eigene Einkommenserzielung deswegen nicht zugemutet werden kann, weil sie sich noch in allgemeiner Schulausbildung befinden. Unterhaltsrechtlich werden sie daher im Rahmen des Selbstbehalts so behandelt wie minderjährige Kinder, längstens aber bis zum 21. Lebensjahr.



5. Ist eine Erhöhung von Selbstbehaltsbeträgen im Einzelfall denkbar?

Selbstbehaltsbeträge sind als Pauschalen ausgewiesen. Sie sollen das Massengeschäft von Unterhaltsberechnungen vereinfachen helfen. Mitunter kann es aber angezeigt sein, den für den Unterhaltsschuldner geltenden Selbstbehalt zu korrigieren. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn ihn unvermeidbar höhere Wohnkosten treffen als im Selbstbehaltsbetrag bereits enthalten.

Welche pauschalen Kosten für Unterkunft und Heizung für die jeweiligen Selbstbeträge als übliche Kosten bereits einkalkuliert sind, können Sie der Aufstellung zu den Selbstbehaltsbeträgen entnehmen, die Sie oben finden.

Übersteigen die den Unterhaltsschuldner treffenden Kosten für Unterkunft und Wohnung die in den Selbstbehaltsbeträgen enthaltene Pauschale, kann eine entsprechende Korrektur des Selbstbehalts angezeigt sein. Der Selbstbehaltsbetrag wird dann im Einzelfall um den Differenzbetrag aufgestockt.

Beispiel 3:

Gegenüber minderjährigen Kindern ist im Selbstbehaltsbetrag für Erwerbstätige von 1.370,00 € eine Pauschale für Unterkunft und Heizung von 520,00 € enthalten (OLG Dresden, Stand 2023). Treffen den Vater aber unvermeidbar höhere Kosten von 620,00 €, liegt dieser Betrag um 100,00 € über der Pauschale. Der Selbstbehaltsbetrag wird deshalb von 1.370,00 € auf 1.470,00 € angehoben.

Eine Korrektur des Selbstbehaltsbetrags kommt trotz höherer Mietkosten aber nicht in Frage, wenn die Inanspruchnahme günstigeren Mietraums möglich und zumutbar wäre oder sich der Unterhaltsschuldner mit einer anderen Person in die Miete teilt und die ihn anteilig treffende Miethöhe dann die Pauschale nicht mehr übersteigt. Dann verbleibt es trotz der höheren Mietzahlungen beim Pauschalbetrag.



6. Ist eine Herabsetzung des Selbstbehalts möglich?

Im Einzelfall ist auch eine Herabsetzung des Selbstbehaltsbetrags möglich. Häufigster Fall hierbei ist es, wenn der zum Kindesunterhalt verpflichtete Elternteil in einer neuen Partnerschaft lebt. Beim Zusammenleben mit einem neuen Partner kommt es zu Ersparniseffekten, weil das gemeinsame Wohnen in einem Haushalt wirtschaftlich günstiger ist als ein Single-Haushalt. Aufgrund dessen wird der Selbstbehaltsbetrag in solchen Fällen gekürzt. Der Anteil der prozentualen Kürzung liegt dabei im Ermessen des Gerichts, bewegt sich aber in der Regel bei ca. 10 %.

Beispiel 4:

Hat der erwerbstätige Vater gegenüber seinem minderjährigen Kind einen an sich geltenden Selbstbehalt von 1.370,00 € (Stand 2023) wird dieser wegen des Zusammenlebens des Vaters mit einer neuen Partnerin in der Regel um 10 % nach unten korrigiert. Es gilt dann ein Selbstbehalt von nur noch 1.233,00 € Damit verbleiben mehr Mittel für zu leistende Unterhaltszahlungen.



Die häufigsten Fragen zum Selbstbehalt beim Unterhaltsrecht - Antworten von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz)

7. Schützt mich der Selbstbehalt, wenn ich weniger arbeite?

Oft meinen Unterhaltsschuldner, durch eine Verringerung ihrer Arbeitstätigkeit ihre Unterhaltslast verringern zu können. Sie gehen davon aus, dass sie dann wegen des Selbstbehalts auch nur noch einen geringeren Unterhaltsbetrag zahlen müssten. Viele der Unterhaltsschuldner kommen sich dabei auch ganz besonders pfiffig vor.

Aber natürlich hat die Rechtsprechung solchem Verhalten entgegengewirkt. Wer einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit nicht bzw. nicht in vollem Umfang nachgeht, wird im Rahmen der Unterhaltsberechnung so behandelt, als hätte er noch die Einkünfte aus seiner bisherigen Beschäftigung. Im Rechtssinne wird hier von sogenannten fiktiven Einkünften gesprochen.

Auf Basis der fiktiven Einkünfte wird dann ganz normal der Unterhaltsbetrag berechnet und der entsprechende Selbstbehaltsbetrag angewendet. Die tatsächlich geringeren Einkünfte führen also nicht zu einer Verminderung der Unterhaltslast. Vielmehr wird der Unterhaltsschuldner dennoch zum höheren Unterhaltsbetrag verurteilt. Dass er dann nicht einmal mehr eigene Geldmittel in Höhe des vorgesehenen Selbstbehaltsbetrags zur Verfügung hat, hat er in solchen Fällen als Sanktion seines Verhaltens hinzunehmen.

Und ein weiteres ist zu beachten: Gerade im Rahmen von Kindesunterhalt für minderjährige Kinder muss der Unterhaltsschuldner alle seine Möglichkeiten zur Einkommenserzielung einsetzen. Er muss alles ihm Zumutbare tun, um zu einem höheren Einkommen zu gelangen, damit der Kindesunterhalt in voller Höhe gezahlt werden kann und nicht durch den Selbstbehalt begrenzt wird. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben und wird der Unterhaltsschuldner seiner Erwerbsobliegenheit nicht gerecht, können ihm weitere fiktive Einkünfte zugerechnet werden. Mit der Zurechnung steigt sein erzielbares Einkommen, was dazu führen kann, dass der Selbstbehaltsbetrag plötzlich nicht mehr greift.



8. Schützt der Selbstbehalt vor Zwangsvollstreckung?

Hier sind zwei Aspekte zu unterscheiden. Der Selbstbehalt hat bei der Berechnung der Unterhaltshöhe Korrekturfunktion. Er ist also vor Erstellung eines Unterhaltstitels zu berücksichtigen, etwa einer Jugendamtsurkunde oder eines gerichtlichen Unterhaltsbeschlusses.

Im Rahmen der Zwangsvollstreckung eines nun schon vorhandenen Unterhaltstitels ist dieser Selbstbehalt nicht anzuwenden. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung gelten individuell zu bestimmende Pfändungsfreibeträge. Diese Pfändungsfreibeträge sind nicht gleichzusetzen mit Selbstbehaltsbeträgen. Wer den zu seinen Lasten festgesetzten Unterhalt also nicht zahlt, kann sich bei einer künftigen Vollstreckung nicht auf Selbstbehaltsbeträge berufen, sondern allenfalls auf Pfändungsfreibeträge.

Gerade bei der Pfändung von Unterhalt für minderjährige Kinder gelten aber auch im Rahmen der Pfändungsfreibeträge Sondervorschriften. So kann für diese Unterhaltsart auch noch eine Herabsetzung des Pfändungsfreibetrags beantragt werden. Damit kann der Pfändungsfreibetrag im Einzelfall sehr deutlich unter einem im Unterhaltsrecht geltenden Selbstbehaltsbetrag liegen.



(Stand: 01/2023)