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Sorgerecht - Die häufigsten Fragen






1. Was versteht man unter Sorgerecht?

Minderjährige Kinder können sich in der Regel nicht selbst vertreten. Die rechtliche und tatsächliche Vertretung der Kinder übernehmen daher deren sorgeberechtigte Personen. Dabei untergliedert sich das Sorgerecht einerseits in die Ausübung der Personensorge (Erziehung, Aufenthaltsbestimmung, Umgang, …) und andererseits in die Vermögenssorge (Regelung der finanziellen Angelegenheiten des Kindes).



2. Welche Personen haben das Sorgerecht?

Grundlegend ist zunächst danach zu unterscheiden, ob die Eltern eines Kindes miteinander verheiratet sind oder nicht.

  • verheiratete Eltern: Das Sorgerecht fällt den Eltern per Gesetz gemeinschaftlich zu, wenn sie im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet sind. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Eltern sich wieder trennen oder scheiden lassen. Sobald auch in einer solchen Situation keiner der Elternteile das gemeinsame Sorgerecht angreift, bleibt das gemeinsame Sorgerecht bestehen.
  • nicht verheiratete Eltern: Die Mutter des Kindes wird ab dem Zeitpunkt der Geburt Inhaberin des Sorgerechts. Der Vater ist hingegen nicht per Automatismus sorgeberechtigt.
Darüber hinaus kann auch anderen Personen als nur den Eltern das Sorgerecht übertragen werden.


3. Wie erhalte ich als unverheirateter Vater das gemeinsame Sorgerecht?

Ist die Kindesmutter damit einverstanden, dass auch der Vater Mitinhaber des Sorgerechts wird, können beide einen Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht gegenüber dem Jugendamt stellen. Mit positiver Verbescheidung besteht gemeinsames Sorgerecht.

Sind sich die Eltern hingegen uneinig und sträubt sich die Mutter gegen das gemeinsame Sorgerecht mit dem Vater, so muss der Vater eine familiengerichtliche Entscheidung herbeiführen. Das Gericht wird das gemeinsame Sorgerecht anordnen, wenn es sich davon überzeugt, dass zwischen den Eltern eine tragfähige soziale Beziehung besteht und die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts nicht dem Kindeswohl widerspricht. Das Gericht würde dann dem Vater das gemeinsame Sorgerecht zusprechen, auch wenn die Mutter dagegen ist.

Wegweisend für um das Sorgerecht kämpfende nichteheliche Väter war in der Vergangenheit der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2020. Bis dahin war es Vätern nicht möglich, das gemeinsame Sorgerecht gegen den Willen der Mutter zu erhalten. Das hat sich seit der neuen Gesetzeslage ab Juli 2012 geändert. Vätern, die Verantwortung für ihr nichteheliches Kind übernehmen wollen, wird seither der Zugang zur gemeinsamen Sorge eröffnet.



Fachanwalt für Familienrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Sorgerecht - Die häufigsten Fragen

4. Wer erhält das Sorgerecht im Todesfall der Eltern?

Verstirbt ein Elternteil, so besitzt der überlebende Elternteil ab diesem Zeitpunkt das alleinige Sorgerecht. Die Befürchtung mancher Mandanten, dass das Sorgerecht der Erbfolge unterfällt oder vom anderen Elternteil frei übertragen werden könnte (etwa per Testament auf die Ex-Schwiegermutter) ist also nicht zu befürchten.

Das gilt auch, wenn beide Elternteile versterben. Das Sorgerecht geht auch dann nicht automatisch an die nächsten Angehörigen über. Die Entscheidung zur Übertragung des Sorgerechts liegt dann beim zuständigen Familiengericht. Bei der Auswahl werden enge Familienangehörige bevorzugt, insofern diese sich als erziehungsgeeignet erweisen und deren Auswahl als im Sinne des Kindeswohls anzusehen ist.

Die familiengerichtliche Entscheidung vereinfachend und kanalisierend kann es sein, haben die Eltern zu Lebzeiten eine Sorgerechtsverfügung erstellt und eine konkrete Person/konkrete Personen als künftige(n) Sorgerechtsinhaber angeregt. Zugleich können in einer solchen Sorgerechtsverfügung bestimmte Personen von der künftigen Ausübung des Sorgerechts ausgeschlossen werden. Das Familiengericht hat solche Erwägungen in seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen.



5. Müssen getrennt lebende Sorgeberechtigte alles miteinander abstimmen?

Im Rahmen des Sorgerechts tragen die Eltern gemeinsam Verantwortung für das körperliche, geistige und seelische Wohl ihres Kindes. Das ist völlig unabhängig davon, ob die Eltern zusammen leben, getrennt leben oder schon geschieden sind.

Natürlich wäre es unpraktisch, wenn die Eltern jede noch so kleine ihr Kind betreffende Entscheidung gemeinsam treffen müssten. Es wird daher danach unterschieden, wie nachhaltig und endgültig sich zu treffende Entscheidungen auf das gemeinsame Kind auswirken. So können Angelegenheiten des täglichen Lebens immer von dem Elternteil allein entschieden werden, bei dem sich das Kind gerade aufhält. Zu Themenkreisen, die über die Angelegenheiten des täglichen Lebens hinausgehen, müssen die Elternteile hingegen gemeinsam entscheiden. Das bringt nicht selten Konflikte mit sich.



6. Was versteht man unter Angelegenheiten des täglichen Lebens?

Angelegenheiten des täglichen Lebens sind solche, hinsichtlich derer häufige Entscheidungen getroffen werden müssen und die zwar aktuell Auswirkungen auf das Leben des Kindes besitzen, nicht aber in besonderer Weise dessen Zukunft bestimmen. So sind Angelegenheiten des täglichen Lebens zum Beispiel Entscheidung zu folgenden Themenkreisen: Essen, Trinken, Kleidung, Fernsehkonsum, Unterschreiben von Klassenarbeiten, Ausgehzeiten, …).



7. Was sind keine Angelegenheiten des täglichen Lebens mehr?

Fragen zu Entscheidungen, die sich schwer bzw. nicht mehr rückgängig machen lassen, keine Angelegenheiten des täglichen Lebens. Hierzu gehören zum Beispiel: Wohnort des Kindes, Auswahl der Kindertagesstätte, Auswahl der Schule, Ausbildung des Kindes, religiöse Erziehung, Vermögensverwaltung für das Kind, planbare medizinische Eingriffe, Impfungen, Urlaubsreisen in Gebiete mit Reisewarnung, …).

Solche Angelegenheiten darf ein Elternteil nicht allein entscheiden. Hieran müssen beide Elternteile mitwirken. Das gemeinsame Sorgerecht zwingt hier dazu, auch eine einvernehmliche gemeinsame Lösung herbeiführen zu müssen.

Kommt es zu keiner Einigung, darf sich keiner der Elternteile eigenmächtig durchsetzen. Vielmehr muss in solchen Fällen das Familiengericht eingeschaltet werden. Die dort getroffene Entscheidung ist dann zu akzeptieren.

Eltern sollten sich aber im Vorfeld darüber im Klaren sein, dass der Richter die konkrete familiäre Situation nicht kennen kann. Mitunter entscheiden auch Richter, die nicht einmal selbst Kinder großgezogen haben, also von den eigentlich emotionalen familiären Fragen persönlich nie betroffen waren. Das kann, muss aber nicht gut sein. Im Einzelfall kann es auch dazu kommen, dass sich ein Gericht nicht entsprechend eindenkt und einfach vom grünen Tisch aus entscheidet. Ob das immer im Sinne des Kindes ist, darf bezweifelt werden. In vielen Fällen sind am Ende beide Elternteile nicht mit der getroffenen Entscheidung einverstanden.

Vorzugswürdig ist daher immer, dass die Eltern miteinander selbst ins Gespräch kommen, Kompromissbereitschaft zeigen und eine gemeinsame Lösung für ihr Kind suchen. Das spart Verfahrenskosten, weiter hochfahrende Emotionen und ebnet am ehesten den Weg für eine tragfähige Lösung. Gerichtsverfahren sind oftmals Auslöser für weitere sich vertiefende Streitigkeiten. Damit ist dem zwischen den Fronten stehenden Kind nicht genutzt. Es wird vielmehr immer intensiver in einen Loyalitätskonflikt getrieben. Wie hat es ein in Chemnitz ansässiger Richter in einem solchen Verfahren an die Eltern gerichtet einmal treffend formuliert: „Sie schreddern Ihr Kind!“


8. Muss ich ohne Sorgerecht trotzdem Kindesunterhalt zahlen?

Sorgerecht und Kindesunterhalt sind zwei voneinander losgelöste Themenkreise. Die Ausübung des Sorgerechts betrifft die Wahrnehmung von Entscheidungen für das tägliche und künftige Leben des Kindes. Die Fragestellung nach dem Kindesunterhalt betrifft hingegen die finanzielle Sicherstellung der Lebensführung des Kindes.

Der sorgeberechtigte Elternteil erfüllt seinen Kindesunterhalt durch die Betreuung des minderjährigen Kindes. Der nicht sorgeberechtigte Elternteil hat auf Basis seines Einkommens, entsprechender Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung von einschlägigen Selbstbehaltsbeträgen gleichwohl Kindesunterhalt als Geldbetrag an den sorgeberechtigten Elternteil zu zahlen. Die Höhe des Unterhalts bestimmt sich dabei nach der Düsseldorfer Tabelle.

Der Unterhalt darf auch nicht deswegen gekürzt werden, weil der nicht sorgeberechtigte Elternteil das Kind vielleicht nicht so häufig sieht wie von ihm gewünscht.



9. Entfällt der Umgang, wenn man kein Sorgerecht besitzt?

Der nicht sorgeberechtigte Elternteil hat nach dem Gesetz nicht nur das Recht, sondern zugleich auch die Verpflichtung zum Umgang mit dem gemeinsamen Kind. Gemeinhin werden Umgangskontakte als regelmäßige Wochenend-, Feiertags- und Ferienkontakte verstanden. Grundlegend können Umgangskontakte aber völlig flexibel gestaltet werden und neben direkten Kontakten auch Telefonkontakte oder Videokonferenzen beinhalten.

Auch wenn nur ein Elternteil sorgeberechtigt ist, darf dem anderen Elternteil in der Regel der Kontakt nicht verweigert werden. Sowohl der nicht sorgeberechtigte Elternteil als auch das Kind haben weiterhin das Recht, zueinander Kontakt halten und Zeit miteinander verbringen zu können. Umgangskontakte des nicht sorgeberechtigten Elternteils zu seinem Kind sind also nicht ausgeschlossen.

Generell ist zu empfehlen, dass konkrete Umgangsregelungen getroffen werden. Damit wird Klarheit über den Umfang und die Lage des Umgangs geschaffen.



10. Gilt automatisch das Wechselmodell, trennen sich sorgeberechtigte Eltern?

Trennen sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern, setzt in keine Richtung ein Automatismus ein. Die Eltern müssen selbst klären, bei wem das Kind seinen künftigen Lebensmittelpunkt hat. Nur wenn die Eltern gemeinsam zur Auffassung kommen, dass das Kind etwa paritätisch bei beiden seinen Lebensmittelpunkt haben soll, ist die Vereinbarung eines Wechselmodells angezeigt.

Eltern sollten sich aber darüber bewusst sein, dass gerade beim Wechselmodell besonders intensiv miteinander kommuniziert werden muss. Oftmals hat aber die Trennung der Eltern gerade deren Kommunikationsebene nachhaltig gestört.

Auch sollte von vornherein klar sein, dass grundlegend den besserverdienenden Elternteil auch beim Wechselmodell eine Unterhaltsverpflichtung trifft. Ebenso sollten Regelungen zur Aufteilung des Kindergeldes beim Wechselmodell getroffen werden.

Letztlich müssen auch ganz praktische Erwägungen angestellt werden, etwa die Entfernung der jeweiligen Wohnorte zur Kindertagesstätte, zur Schule, zu Freunden oder zu Orten der Freizeitbeschäftigungen des gemeinsamen Kindes.



11. Kann auch nur ein Teil des Sorgerechts auf einen Elternteil übertragen werden?

Die zu treffende Entscheidung des Gerichts muss verhältnismäßig sein. Im Rahmen dessen prüft das Gericht stets, ob es nicht genügt, nur einen Teil des Sorgerechts zu entziehen und es im Übrigen beim gemeinsamen Sorgerecht zu belassen. Der nur teilweise Entzug des Sorgerechts (z.B. allein der Gesundheitssorge oder der Vermögenssorge) ist immer ein weniger einschneidendes Mittel als der gesamte Entzug des Sorgerechts.



12. Regelt das Familiengericht bei der Scheidung auch das Sorgerecht?

Grundlegend entscheidet ein Familiengericht im Scheidungsverfahren nur zu den Themenkreisen, die von den Eheleuten beantragt werden. Das ist naturgemäß immer die Scheidung und in der Regel der von Gesetzes wegen vorzunehmende Versorgungsausgleich. Erst wenn die Eheleute Anträge auf Übertragung des Sorgerechts stellen, muss sich das Gericht mit diesen Anträgen befassen. Das Gericht hat von Amts wegen eine Sorgerechtsentscheidung nur zu treffen, wenn aus seiner Sicht bei Beibehaltung der bisherigen gemeinsamen Sorge eine Gefährdung des Kindeswohls zu befürchten ist. Das sind jedoch sehr seltene Ausnahmefälle.

In der Regel fragt das Gericht im Scheidungstermin nur ab, ob es weitere Angelegenheiten die Kinder betreffend zu klären gibt. Teilen beide Ehepartner mit, dass hier keine Regelungen veranlasst sind und alles geklärt ist, legt das Gericht die Thematik zu den Akten. Im Wissen hierum ist es also in der Regel so, dass das Gericht zum Sorgerecht überhaupt keine Entscheidung trifft und die gemeinsame elterliche Sorge unangetastet bleibt.

Umgekehrt müssen Eltern also auch nicht befürchten, dass das Gericht von sich aus einem der Elternteile das gemeinsame Sorgerecht entzieht, nur weil die Ehe gescheitert ist. Es dürfte nämlich in den allermeisten Fällen dem Wohl des Kindes am ehesten entsprechen, wenn die Eltern weiterhin das gemeinsame Sorgerecht ausüben.



Fachanwalt für Familienrecht Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zum Thema: Fragen zum Sorgerecht

13. Wann trifft das Familiengericht eine Entscheidung zum alleinigen Sorgerecht?

Auch wenn viele Elternteile das nicht wahrhaben wollen: Die Hürden dafür, um das gemeinsame Sorgerecht der Eltern in ein alleiniges Sorgerecht umzuwandeln, sind sehr hoch.

Eine unterschiedliche Vorstellung von der Kindererziehung genügt jedenfalls nicht. Mit einer unterschiedlichen Vorstellung von Kindererziehung müssten sich die Eltern auch in einer intakten Beziehung arrangieren.

Persönliche Abneigungen gegenüber dem anderen Elternteil oder verletzte Eitelkeit spielen gleichfalls keine Rolle, einem Elternteil das alleinige Sorgerecht zu übertragen.

Und immer wieder meint ein Elternteil mit dem Argument, der andere würde sich nicht ausreichend kümmern und sei ein schlechter Umgang für das Kind, eine Entscheidung zu seinen Gunsten erzielen zu können. Auch das genügt für sich allein nicht, mag das subjektive Empfinden auch noch so stark sein.

Die Übertragung des alleinigen Sorgerechts ist nur möglich, wenn vom anderen Elternteil eine Gefahr für das Wohl des Kindes droht. So können grobe Erziehungsfehler, die Misshandlung des Kindes, dessen Gesundheitsgefährdung, dessen Vernachlässigung, die Missachtung der Schulpflicht oder die Gefährdung des Kindesvermögens Gründe sein, die die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den anderen Elternteil rechtfertigen.

Generell ist dabei zu beachten, dass es keinen Automatismus der Entziehungsgründe gibt. Gerichte entscheiden immer nur in jedem Einzelfall. Nur so ist es möglich, die individuellen familiären Gegebenheiten in entsprechender Weise berücksichtigen zu können.

Liegen solche Gründe für die Entziehung des Sorgerechts nicht vor, bleibt es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge, selbst wenn die Eltern sich nicht zu allen Dingen miteinander einig werden können und etwa künftig weitere Gerichtverfahren zu erwarten sind. Kommen Zweifel auf, ob die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil gerechtfertigt ist, bleibt es ebenso bei der gemeinsamen Sorge für beide Elternteile.



14. Nach welchen Kriterien entscheidet das Familiengericht?

Grundlegendes Kriterium ist das Kindeswohl. Befindlichkeiten der Eltern müssen zurücktreten. Im Rahmen dessen prüft das Gericht zunächst, was überhaupt dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn das gemeinsame Sorgerecht aufgehoben und das Sorgerecht nur auf einen der Elternteile übertragen würde. Ist das der Fall, wird geprüft bei welchem Elternteil das alleinige Sorgerecht am ehesten dem Kindeswohl entspricht.

Dabei sind insbesondere die Bindungen des Kindes zu den Eltern, deren Erziehungseignung, deren Möglichkeiten für die künftige Entwicklung und Förderung des Kindes, deren Bindungstoleranz (akzeptiert und fördert der Elternteil den spannungsfreien Kontakt zum anderen Elternteil ohne negative Beeinflussung des Kindes), der Kontinuitätsgrundsatz, Geschwisterbindung, bisheriger Lebensmittelpunkt des Kindes, Entfernung zur Schule oder das jeweilige soziale Umfeld bei den Eltern zu prüfen, um nur die wichtigsten zu benennen.

Der Kindeswille spielt entgegen der Erwartung vieler Eltern nicht die absolut entscheidende Rolle. Zwar werden Kinder in der Regel durch das Gericht angehört und das Gericht wird im Ausfluss dessen den Kindeswillen im Rahmen seiner zu treffenden Entscheidung bewerten. Es wird insbesondere prüfen, ob dessen geäußerter Wille authentisch ist oder etwa aus einer Laune heraus erfolgt bzw. ob einer der Elternteile besonderen Druck auf das Kind ausgeübt hat. Der Kindeswille ist aber für das Gericht nicht verbindlich. Man verdeutliche sich nur den überspitzten Fall, dass sich das Kind den Elternteil als künftigen Lebensmittelpunkt aussuchen würde, der ihm alle Freiheiten lässt und keinerlei Erziehungsarbeit leistet. Das wäre mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. Entscheidend ist immer der Blickwinkel auf die Auswirkungen für die künftige Entwicklung des Kindes.



15. Wer wird im Sorgerechtsverfahren angehört?

In Sorgerechtsverfahren werden natürlich die beiden Elternteile angehört. Deren mandatierte Rechtsanwälte können in dieser Phase des Verfahrens nur sehr begrenzt zur Seite stehen. Ein erfahrener Familienrichter wird sich nämlich direkt an die Elternteile wenden, um den ungefilterten Sachstand zu ergründen. Das ist auch verständlich, schließlich weiß auch der Rechtsanwalt von den tatsächlichen Spannungsfeldern nur vom Hören-Sagen. In diesem Stadium des Verfahrens sind Anwälte daher zunächst vornehmlich Statisten. Das ändert sich während des Verfahrens, wenn es auf die rechtliche Beurteilung und eine den Interessen des Mandanten Vorschub leistende Argumentation ankommt.

Gleichfalls wird in der Regel ebenso das Kind angehört, da das Gericht sich auch ein eigenes Bild von der Reife des Kindes und dessen Auffassung zur sich darstellenden Situation machen will.

Zudem wird das Gericht das Jugendamt laden und dessen Stellungnahme zur konkreten familiären Situation erbitten. Oft war das Jugendamt bereits in den Konflikt involviert, konnte diesen aber nicht befrieden. Es sind dort aber bereits grundlegende Erkenntnisse zur familiären Situation vorhanden, die im Verfahren weiterhelfen und zur Entscheidungsfindung beitragen können.

Außerdem muss als „Anwalt des Kindes“ ein sogenannter Verfahrensbeistand durch das Gericht benannt werden. Dieser vertritt die Interessen des Kindes. Im Rahmen dessen wird er Gespräche mit beiden Elternteilen einzeln und dem Kind führen. Letzteres in der Regel in beiden Haushalten der Eltern. Im Ergebnis dessen teilt der Verfahrensbeistand dem Gericht dann sein Votum mit. Dieses Votum wird das Gericht ebenso in seine künftige Entscheidung mit einbeziehen.

Es wird also meist nicht bei einem Gerichtstermin bleiben. Das Verfahren wird sich regelmäßig über Monate strecken. Bei mehreren Instanzen sind Verfahren mit einer Dauer von über 2 Jahren leider keine Seltenheit.



16. Kann ich Sorgerechtsstreitigkeiten auch ohne Gericht regeln?

Wenn zwischen den Eltern zu einzelnen Punkten des Sorgerechts keine Einigung zu erzielen ist, sollte der erste Schritt nicht das Familiengericht sein. Ein solches Vorgehen würde die Fronten zunächst weiter verhärten. Besser ist es, wenn bei noch vorhandener restlicher Kommunikationsfähigkeit der Eltern das Jugendamt aufsuchen und um Vermittlung bitten.

Entgegen landläufiger Meinung stehen dem Jugendamt zwar keine Zwangsmittel zur Verfügung, um einen konkreten Vorschlag durchsetzen zu können. Allein der Versuch sollte aber im Interesse des Kindes unternommen werden. Hinzu tritt nämlich, dass in einem künftig dennoch nötigen Gerichtsverfahren das Jugendamt angehört wird. Da die Grundthematik dem Jugendamt dann bereits bekannt ist, kann das zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen.



17. Ich will mein Sorgerecht abgeben, geht das?

Mitunter steht die Frage danach, das Sorgerecht „abgeben“ zu wollen. Dabei muss nicht etwa ein Desinteresse an der künftigen Entwicklung des Kindes verbunden sein. Schließlich werden die Umgangskontakte hierdurch nicht beeinträchtigt. Auch der Kindesunterhalt ist weiterhin zu zahlen. In manchen Fällen hat ein Elternteil jedoch erkannt, dass er möglicherweise in einer persönlich anhaltenden schwierigen Lebenssituation aktuell keine tragenden Entscheidungen für das Kind treffen kann. Das kann der Fall sein, wenn wegen beruflicher Veränderung ein Umzug in die Ferne ansteht oder eine schwere Erkrankung ganz oder vorübergehend eine freie Entscheidungsfindung nicht möglich macht.

Das Sorgerecht „abzugeben“ erfordert eine familiengerichtliche Beteiligung. Durch einfache Erklärung ist das nicht möglich. Wenn sich beide Eltern einig sind, der künftig das Sorgerecht allein ausübende Elternteil einen Sorgerechtsantrag auf sich beim Familiengericht stellt und der andere Elternteil diesem Antrag zustimmt, kann das Gericht antragsgemäß entscheiden. Dabei wird das Gericht aber - wie immer - die Kindeswohlgesichtspunkte im Auge behalten. Wäre die Entscheidung nicht im Sinne des Kindeswohls, lehnt das Gericht den Antrag ab.

Besser als das Sorgerecht „abzugeben“ dürfte es aber ohnehin sein, dem anderen Elternteil eine Vollmacht zu dessen alleiniger Ausübung des Sorgerechts auszustellen. Die Vollmacht ist formlos. Sie gilt dabei nur bis zu ihrem Widerruf, kann also „rückgängig“ gemacht werden. Die Vollmacht kann alle Teile des Sorgerechts betreffen, aber auch nur einzelne Teile (etwa die Gesundheits- oder Vermögenssorge). Sind Entscheidungen für das Kind dann von beiden Sorgeberechtigten zu treffen, kann der andere Elternteil neben seiner eigenen Zustimmung zusätzlich die Vollmacht vorweisen. Damit gilt die alleinige Entscheidung des anderen Elternteils als ausreichend.





(Stand: 04/2022)