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Je schwächer der Schulabschluss seines Kindes, desto länger muss der Unterhaltsschuldner mit dem Beginn des gegen ihn gerichteten Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt rechnen (BGH, Urteil vom 03.07.2013, Az. XII ZB 220/12)
Die Antragstellerin begehrt Ausbildungsunterhalt von ihrem Vater. Dieser wehrt sich hiergegen mit dem Argument, dass ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nicht mehr bestehen würde, weil zwischen dem Ende der Schulzeit und dem Beginn der Ausbildung ein Zeitraum von 3 Jahren liegen würde. Aufgrund mangelnder Zielstrebigkeit der Antragstellerin sei der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt deshalb verwirkt. Die Antragstellerin wendet hiergegen ein, dass sie gerade aufgrund der familiären Situation einen schlechten Schulabschluss erzielt habe, der letztlich dazu geführt habe, dass sie erst nach mehreren nacheinander geschalteten Praktika im beabsichtigten Ausbildungsberuf auch einen Ausbildungsplatz erhalten habe. Maßgeblich für den schlechten Schulabschluss sei der Wechsel des Schulsystems vom früheren Wohnort der Familie in den Niederlanden nach Deutschland gewesen, gleichfalls die damit verbundene Notwendigkeit der Wiederholung einer Schulklasse. (BGH, Urteil vom 03.07.2013, Az. XII ZB 220/12).
Entscheidung:
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung (BGH, Urteil vom 03.07.2013, Az. XII ZB 220/12) klargestellt, dass der in Anspruch genommene Vater Ausbildungsunterhalt zahlen muss.
Zwar träfe ein unterhaltsberechtigtes Kind die Verpflichtung, seine Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit durchzuführen und auch damit zeitnah zum Schulabschluss zu beginnen. Schon im Rahmen einer gewissen zuzugestehenden Orientierungsphase seien aber je nach den Umständen des Einzelfalls gewisse Ausbildungsverzögerungen hinzunehmen. Im Wissen um die Umstände im konkreten Einzelfall sei dem Unterhaltsschuldner daher gegebenenfalls auch zuzumuten, selbst nach Ablauf eines längeren Zeitraums beginnen zu müssen, Ausbildungsunterhalt zu entrichten.
Aufgrund der familiären Situation und aufgrund der hierauf zurückzuführenden schlechten Schulnoten sei es für die Antragstellerin im Vergleich zu notenstarken Schülern ungleich schwerer gewesen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Dass die Antragstellerin deshalb im angestrebten Berufsbild zunächst mehrere nacheinander geschalte Praktika absolviert habe, um ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu steigern, könne dieser nicht vorgeworfen werden. Hierin liege keine nachhaltige Verletzung der Obliegenheit, eine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen. Gerade aufgrund der schlechten schulischen Ergebnisse habe die Antragstellerin nämlich nachweislich zu keinem früheren Zeitpunkt ein Ausbildungsverhältnis beginnen können. Die Antragstellerin sei verstärkt darauf angewiesen gewesen, durch ihre Motivation und ihr gezeigtes Interesse am angestrebten Beruf potenzielle Ausbildungsbetriebe für sich einzunehmen. Gelinge ihr schließlich die Aufnahme einer Ausbildung, würde die Versagung des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt erhebliche Folgen auf die aktuelle und künftige Lebensstellung der Antragstellerin haben. Berücksichtigt werden müsse hierbei zugleich, dass der Antragstellerin für die Jahre ihrer Minderjährigkeit der schlechte Schulabschluss individuell nicht vorgeworfen werden könne, sie also aus dieser Sicht kein Verschulden an der Verzögerung treffe (BGH, Urteil vom 03.07.2013, Az. XII ZB 220/12).
Hinweise und Empfehlungen:
Für Kinder, die einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besitzen, gilt die Entscheidung keineswegs als Freibrief, um sich über Jahre hinweg "zurücklehnen zu können". An der Forderung nach Zielstrebigkeit bei Beginn und Durchführung der Ausbildung hat sich nichts geändert. Die Sondersituation im zu entscheidenden Fall lag hier darin, dass gerade aufgrund der Antragstellerin nicht vorwerfbarer schlechter Schulnoten eine von dieser gewünschte Ausbildung als Fleischfachverkäuferin (also nicht etwa im Bereich ohnehin nicht erreichbarer Sphären) zunächst nicht erlangt werden konnte, obgleich die Antragstellerin mit Nachdruck „drangeblieben“ ist. Hätte sich die Antragstellerin im vorliegenden Fall über den Zeitraum von 3 Jahren hinweg mit verschiedenen branchenübergreifenden Nebenjobs verdingt, ohne dabei eine Zielstrebigkeit dahingehend erkennen zu lassen, dass all dies im Hinblick auf eine zu erlangende Ausbildung unternommen wird, wäre die Entscheidung mit hoher Sicherheit anders ausgefallen.
Zum Ausbildungsunterhalt sind grundsätzlich beide Elternteile verpflichtet. Im vorliegenden Fall wurde die Mutter allerdings nicht in Anspruch genommen, weil diese nicht ausreichend Einkünfte besaß. Generell zeigt die Entscheidung aber, dass Eltern umso länger mit dem Einsetzen eines Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt rechnen müssen, je schwächer der Schulabschluss ihres Kindes war. Das Urteil bedeutet aber nicht, dass sich Eltern generell auf eine jahrelange völlig orientierungslose Bummelei ihrer Kinder einzustellen hätten. Lässt es das Kind perspektivisch an einer Zielstrebigkeit der Erlangung einer Ausbildung vermissen, liegt es mit fortlaufendem Zeitablauf nahe, dass der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt verwirkt sein kann.
(BGH, Urteil vom 03.07.2013, Az. XII ZB 220/12)
weiterführend zu: Volljährigenunterhalt
Eingestellt am 26.07.2013 von Dr. Thomas Langner
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