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Berliner Testament - Vorteile und Nachteile

Die Begrifflichkeit des Berliner Testaments ist zwar vielen Menschen ein Begriff. Die damit verbundenen Konsequenzen werden aber allzu häufig ausgeblendet oder sind gar unbekannt. Um sich vor künftig unbeabsichtigten Überraschungen zu schützen, sollten einige Aspekte beachtet werden.

1. Gemeinschaftliches Testament

Ziel von Ehepartnern ist es oft, dass sie zwar ihre Kinder bedenken wollen, aber erst nach Versterben des zweiten Ehepartners. Das ist aber bei der gesetzlichen Erbfolge so nicht vorgesehen. Deshalb müssen Ehegatten in solchen Fällen die Erbfolge mit einer testamentarischen Regelung selbst bestimmen. Für gemeinsame Regelungen von Ehegatten hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments geschaffen. Diese Testamentsform wird gemeinhin als „Berliner Testament“ bezeichnet.

Grundlegend sind zwei Arten des Berliner Testaments denkbar. Entweder der überlebende Ehepartner wird zum alleinigen Vollerben eingesetzt und die Kinder werden erst nach Versterben des zweiten Ehepartners als Schlusserben eingesetzt. Oder der überlebende Ehepartner wird Vorerbe und die Kinder nach Versterben des anderen Ehepartners Nacherben. Was unterscheidet die beiden Varianten?


Rechtsanwalt Dr. Thomas Langner (Chemnitz) zu Fragen des Berliner Testaments

a) Vollerbe und Schlusserbe

Der gesamte Nachlass geht zunächst auf den überlebenden Ehepartner über. Der Ehepartner kann über den Nachlass frei verfügen. Eine Ausnahme gilt nur für Schenkungen, die absichtlich getätigt werden, um die Kinder als Schlusserben zu benachteiligen.

Wenn sich einerseits die freie Verfügbarkeit über den Nachlass durch den überlebenden Ehepartner zwar als Vorteil erweist, kann das aber auch einen erheblichen Nachteil mit sich bringen. Verlebt der überlebende Ehepartner das Vermögen des erstverstorbenen Ehepartners, gehend die Kinder am Ende letztlich leer aus. Denkbar wäre auch, dass der überlebende Ehepartner neu heiratet und deshalb Pflichtteilsansprüche des neuen Ehepartners die Erbansprüche der Kinder mindern.

b) Vorerbe und Nacherben

Die Erbmasse nach dem zuerst verstorbenen Ehepartner bildet hier eine Art Sondervermögen für den überlebenden Ehepartner. Der überlebende Ehepartner kann das Vermögen zwar verwalten und nutzen, aber nur in engen Grenzen über das Vermögen verfügen. So ist beispielsweise ein Immobilienverkauf nicht möglich.

So vorteilhaft diese Variante für die Kinder ist, weil die Erbmasse hierdurch nicht wesentlich vermindert werden kann, so nachteilig kann die Variante für den überlebenden Ehepartner sein. Man verdeutliche sich hier nur die Situation, dass der überlebende Ehepartner dringend Geldmittel benötigt. Hierfür kann er zwar sein eigenes Vermögen, nicht aber das vom vorverstorbenen Ehepartner ererbte Vermögen einsetzen.


2. Störfall Pflichtteilsanspruch der Kinder

Das Berliner Testament bietet gleichwohl keine absolute Garantie dafür, dass dessen Inhalt auch vollumfänglich umgesetzt wird. Das gilt nur dann, wenn die Kinder „mitspielen“. Der Störfall für die Regelung des Berliner Testaments tritt z.B. dann ein, wenn wenigstens eines der Kinder nach dem erstversterbenden Elternteil seinen Pflichtteil geltend macht. Dann ist der überlebende Elternteil sofort konkreten Zahlungsansprüchen ausgesetzt.

Mitunter wird in einem Berliner Testament deshalb mit sogenannten Pflichtteilsstrafklauseln gearbeitet. Das bedeutet Folgendes: Verlangt ein Kind nach dem erstversterbenden Elternteil seinen Pflichtteil, so soll es auch nach dem zweitversterbenden Elternteil nur seinen Pflichtteil erhalten. Das soll eine abschreckende Wirkung entfalten. So einfach ist das aber in der Praxis oftmals nicht. Denn lässt sich ein Kind tatsächlich von der Geltendmachung seines Pflichtteils abschrecken, wenn bis zum Versterben des zweiten Elternteils ein Vermögensverfall bereits absehbar ist? Und wie beugt man vor, dass ein Kind nach Versterben des zweiten Elternteils noch innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist der Pflichtteilsansprüche nach dem erstverstrebenden Elternteil seinen Pflichtteil doch noch geltend macht?


3. Nachteile beim Widerruf des Berliner Testaments

Bei einem Einzeltestament kann immer wieder neu testiert werden. Beim Berliner Testament ist das erschwert. Dort können zwar nicht wechselbezügliche Verfügungen von jedem Ehegatten grundsätzlich jederzeit frei widerrufen werden und der Zustimmung des anderen Ehegatten bedarf nur die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Handelt es sich indes um wechselbezügliche Regelungen, kann der Widerruf mit besonderen Problemen verbunden sein.

Zwar können sich Ehegatten gemeinsam auch von wechselbezüglichen Verfügungen wieder lösen (Widerrufstestament, die gemeinschaftliche Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung, einvernehmliche Vernichtung oder Änderung des Testaments, Neuerrichtung eines gemeinschaftlichen Testaments, …). Ein einseitiger Widerruf solcher wechselbezüglichen Verfügungen ist aber nur möglich, wenn dieser vom Notar beurkundet wird und dem anderen Ehepartner zugestellt wird. Dabei ist es unerheblich, ob das Berliner Testament auch vor einem Notar errichtet wurde oder nur handschriftlich. Wurde der Widerruf wirksam erklärt, wird in der Regel dadurch auch die Verfügung des anderen Ehegatten automatisch unwirksam.

Nach Versterben des anderen Ehepartners ist ein Abändern des Berliner Testaments überhaupt nicht mehr möglich. Dann erlischt ein Widerrufsrecht. Der überlebende Ehegatte kann dann auch über sein eigenes Vermögen nicht mehr anders testieren. Die Sperre betrifft also nicht etwa nur das vom anderen Ehepartner ererbte Vermögen. Das kann gerade bei jungen Ehepartnern zu nicht beabsichtigten und nicht bedachten Folgen führen (etwa bei Neuheirat). Die Bindungswirkung kann allenfalls dadurch beseitigt werden, dass der überlebende Ehegatte das ihm zugewendete Erbe ausschlägt. Nur dann kann der überlebende Ehegatte wieder neu testieren.


4. Steuerliche Aspekte

Schließlich ist bei vermögenden Ehepaaren darauf hinzuweisen, dass aus steuerlicher Sicht das Berliner Testament dann als problematisch anzusehen ist, weil nach dem Versterben des ersten Elternteils die Kinder ihre Vorsteuerfreibeträgen nicht nutzen. Andererseits fällt auf das Vermögen des erstversterbenden Ehepartners grundsätzlich zweimal Erbschaftssteuer an – beim Vererben auf den überlebenden Ehepartner und schließlich beim Weitervererben von diesem auf die Kinder.




(Stand 08/2020)