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Keine vorsorgliche Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis eines Elternteils zur Vornahme einer Bluttransfusion, wenn diese aktuell nicht zu erwarten ist. (KG Berlin, Beschluss vom 05.09.2022 – 16 UF 64/22)
Seit der Trennung der Kindeseltern hat der Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind, die Kindesmutter ein Umgangsrecht. Das Sorgerecht üben sie gemeinsam aus. Der Vater begehrt die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Vornahme von künftig etwaig nötigen Bluttransfusionen für das gemeinsame Kind. Die Kindesmutter sei aufgrund ihrer religiösen Bindung (Zeugen Jehovas) gegen Bluttransfusionen. Das mache sie insoweit nicht erziehungsfähig, weil hierdurch das Kindeswohl gefährdet werden könne. Stünde künftig eine Bluttransfusion an, könne mit der vorsorglichen Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis dann zu erwartender Streit zwischen den Eltern vermieden werden. Außerdem erklärte auch das 13-jährige Kind, dass es eine Bluttransfusion wolle, sollte das erforderlich sein. Die Kindesmutter lehnt die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis auf den Kindesvater ab. Dabei verweist sie insbesondere auf alternative Behandlungsmethoden. (KG Berlin, Beschluss vom 05.09.2022 – 16 UF 64/22)
Das Kammergericht weist den Antrag des Kindesvaters ab. Es spricht ihm nicht die alleinige Entscheidungsbefugnis zur Vornahme einer Bluttransfusion zu. Mit der Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis würde in das von den Eltern gemeinsam ausgeübte Sorgerecht eingegriffen. Ein Eingriff in das Sorgerecht eines Elternteils sei aber immer nur dann möglich, wenn sich eine konkrete Kindeswohlgefährdung abzeichnet. Das scheitere einerseits daran, dass weder aktuell, noch künftig absehbar eine Bluttransfusion ansteht. Zum anderen kann allein die religiöse Ausrichtung eines Elternteils für sich gesehen keinen Grund darstellen, um dessen Erziehungsfähigkeit in Frage zu stellen. Anderenfalls würde das im Grundgesetz normierte Freiheitsrecht der Glaubensfreiheit unterlaufen. Schließlich könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Auffassung der Kindesmutter im konkreten Fall ändert, wenn Sie durch Mediziner darüber aufgeklärt würde, dass alternative Behandlungsmethoden statt einer Bluttransfusion nicht erfolgversprechend sein würden. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass sich die Glaubensgemeinschaft der Kindesmutter lediglich gegen eine Vollblutgabe ausspreche. Die Übertragung einzelner Blutbestandteile überlasse die Glaubensgemeinschaft der individuellen Gewissensentscheidung. Demzufolge sei im Fall einer künftig akut anstehenden Frage nach einer Bluttransfusion nicht sicher, ob sich die Mutter dann tatsächlich dagegen entscheiden würde. Aber selbst wenn im Notfall eine einheitliche Entscheidung der Eltern zur Gabe einer Bluttransfusion nicht herbeigeführt werden könne, müssten die behandelnden Ärzte den mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln. In dessen wohlverstandenem Interesse sei der Arzt verpflichtet, das Leben des Kindes notfalls auch gegen den Willen der Kindesmutter zu schützen. (KG Berlin, Beschluss vom 05.09.2022 – 16 UF 64/22)
Eingestellt am 18.11.2023 von Dr. Thomas Langner
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